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Der deutsche Gesetzgeber kommt den Vorgaben des Vertragsverletzungsurteils des EuGH vom 4. Juli 2019 (siehe hierzu unser damaliger Blog-Beitrag) nach und stimmt einer Änderung der HOAI zu. Die HOAI 2021 wird am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Das bisher verbindliche Preisrecht der HOAI dient ab diesem Zeitpunkt nur noch der Orientierung. Neben den Qualitätswettbewerb der Architekten und Ingenieure dürfte daher in Zukunft vermehrt ein nicht unerheblicher Preiswettbewerb treten.
Seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 1977 sind die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) und ihr verbindliches Preisrecht umstritten. Die letzte umfassende Änderung erfolgte im Jahr 2013 und brachte umfassende Neuerungen insbesondere in Bezug auf die geregelten Leistungsbilder und Vergütungsfragen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte sodann im vergangenen Jahr fest, dass das verbindliche Preisrecht der HOAI gegen die europäische Niederlassungsfreiheit in Form der Dienstleistungsrichtlinie verstößt (siehe hierzu der damalige Blog-Beitrag von Dr. Janina Luzius). Die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI ist somit europarechtswidrig.
Der deutsche Gesetzgeber musste auf dieses Urteil des EuGH reagieren und die Vorgaben des EuGH umsetzen. Realistisch verblieben nur zwei mögliche Reaktionen: Die Festsetzung von Mindest- und Höchsthonoraren in der HOAI musste entweder vollständig abgeschafft oder zumindest so umfassend verändert und entschärft werden, dass das in der HOAI enthaltene (vormals verbindliche) Preisrecht der europäischen Dienstleistungsrichtlinie entspricht.
Nun hat der Bundesrat am 6. November 2020 der Ersten Verordnung zur Änderung der HOAI zugestimmt. Das Bundeskabinett hatte den Entwurf der Verordnung am 16. September 2020 auf den Weg gebracht. Auch dem Gesetzesentwurf des geänderten Ingenieur- und Architektenleistungsgesetzes (ArchLG) in der vom Bundestag beschlossenen Fassung hat der Bundesrat zugestimmt. Die HOAI 2021 wird daher am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Sie bietet anstatt der vorher verbindlichen Vergütungsvorgaben nur noch eine reine Orientierung für die Honorarvereinbarung der Vertragsparteien. Die Verbindlichkeit des Preisrahmens aus Mindest- und Höchstsätzen für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren ist in der neuen HOAI 2021 also nicht mehr enthalten. Auch die Honorartafeln dienen nur noch zur bloßen Preisorientierung. Es sind somit in Zukunft auch Honorarvereinbarungen außerhalb des von der HOAI vorgegebenen Preisrahmens möglich und die Honorare für Architekten- und Ingenieursleistungen sind damit frei verhandelbar. Pauschalhonorare, Aufwandshonorare und weitere alternative Vergütungsmodelle werden damit aller Voraussicht nach in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Zwar wurden auch unter Geltung der bisherigen HOAI schon regelmäßig Festpreise und andere von den Honorarvorgaben der HOAI abweichende Vergütungsparameter in Planerverträgen vereinbart. Es verblieb jedoch stets eine gewisse Rechtsunsicherheit, weil die Auftraggeberseite stets das nachträgliche Vorbringen des jeweiligen Planers zu befürchten hatte, dass die ehemaligen Mindestsätze der HOAI unterschritten seien.
Darüber hinaus bleiben die Honorarermittlungsparameter jedoch sehr ähnlich. So wird beispielsweise weiterhin mit anrechenbaren Kosten, Honorarzonen und Teilleistungspunkten gearbeitet. Allerdings wird der vormalige Mindestsatz nach der HOAI nun nur noch als Basishonorarsatz bezeichnet. Kommt es also zu keiner Honorarvereinbarung oder ist diese unwirksam, gilt der Basishonorarsatz gemäß § 7 Abs. 1 HOAI 2021 als vereinbart, der sich bei Anwendung der Honorarermittlungsregelungen der HOAI im Einzelfall ergibt und der Höhe nach dem bisherigen Mindestsatz entspricht.
Grundsätzlich ist es nun auch möglich, nur Teile der HOAI im Vertrag zu vereinbaren oder diese insgesamt heranzuziehen, aber im Einzelnen von ihr abzuweichen. Fraglich und im Detail noch abschließend durch die Gerichte zu klären ist jedoch, ob Regelungen in Verträgen, die sich teilweise an den Preisvorgaben der HOAI orientieren und teilweise hiervon abweichen, auch im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten.
Für eine wirksame Honorarvereinbarung nach den Regeln der HOAI bedarf es ab dem kommenden Januar keiner schriftlichen Vereinbarung (durch handschriftliche Namensunterschrift) mehr. Es reicht vielmehr die Einhaltung der bloßen Textform gemäß § 126b BGB, sodass auch der Austausch von E-Mails und PDF-Dokumenten eine wirksame Honorarvereinbarung nach sich ziehen kann. Auch eine nachträgliche Honorarvereinbarung oder deren nachträgliche Änderung sind nun möglich, weil die dahingehende Einigung nicht bereits bei Auftragserteilung vorliegen muss.
Wird ein Vertrag mit einem Verbraucher geschlossen, so ist dieser ab Januar gemäß § 7 Abs. 2 HOAI spätestens bei der Angebotsabgabe auf die Möglichkeit einer Honorarvereinbarung außerhalb der von der HOAI vorgegebenen Parameter hinzuweisen.
Im Gegensatz zu den vorgenannten Neuerungen durch die HOAI 2021 hatte der viel diskutierte Vorschlag, jegliches Planungshonorar einer ausdrücklichen allgemeinen Angemessenheitsprüfung zu unterwerfen, nur eingeschränkt Erfolg. Es erfolgte nur ein recht unscheinbarer Hinweis auf die Notwendigkeit der Angemessenheit des vereinbarten Honorars in der Begründung der Verordnung und im ArchLG. Die HOAI selbst nimmt auf die generelle Angemessenheit von Honoraren jedoch nicht ausdrücklich Bezug.
Klassische Aufstockungsklagen von Architekten, bei denen Honorar eingeklagt wird, weil die vertraglich vereinbarte Vergütung hinter den ehemaligen Mindestsätzen der HOAI zurückbleibt, dürften daher merklich weniger werden und kaum noch Aussicht auf Erfolg haben. Schließlich führt die Unterschreitung der in der HOAI vorgesehenen Preisvorgaben in Zukunft nicht mehr zur Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung.
Die HOAI 2021 gilt jedoch nur für Verträge, die ab dem 1. Januar 2021 geschlossen werden. Zur Frage, ob die HOAI auf Verträge, die bereits abgeschlossen sind oder bis Ende diesen Jahres abgeschlossen werden, weiterhin anzuwenden ist, entbrannte zuletzt ein Streit zwischen deutschen Gerichten. Es ist daher aktuell noch unklar, wie mit diesen Altfällen, in denen zunächst ein Honorar unterhalb des Mindestsatzes vereinbart wurde und der Planer nachträglich den Mindestsatz verlangt, umzugehen ist. Hierzu steht noch die Entscheidung des EuGH auf eine Vorlage durch den BGH aus. Insoweit verbleibt zunächst eine Rechtsunsicherheit. Mit einer Entscheidung des EuGH ist in diesem Jahr keinesfalls mehr zu rechnen.
Schon nach Verkündung des EuGH-Urteils sind wir davon ausgegangen, dass dieses die Baubranche verändern dürfte (siehe hierzu unser damaliger Blog-Beitrag). Diese Veränderung steht nun unmittelbar bevor. Architekten und Ingenieure dürften sich nun vermehrt einem merklichen Preiswettbewerb ausgesetzt sehen.
Für Auftraggeber von Planungsleistungen, Bauherren und sonstige am Bau Beteiligte bietet die Option der Unter- bzw. Überschreitung der Grenzen des Preisrechts der HOAI nun die Möglichkeit, den konkreten Umständen des jeweiligen Projekts noch umfassender Rechnung tragen zu können. Im Sinne der Privatautonomie können vermehrt individuellere Honorarvereinbarungen getroffen werden. Die Höhe der Vergütung kann ab Inkrafttreten der HOAI 2021 frei verhandelt werden und es bestehen deutlich größere Spielräume für wirksame Honorarvereinbarungen. Insofern dürften Pauschal- oder Aufwandshonorare und weitere alternative Vergütungsmodelle ab Geltung der HOAI 2021 noch häufiger eine Rolle in Vertragsverhandlungen spielen.
Erfolgt eine solche individuelle Preisvereinbarung nicht, gilt auch weiterhin der Basishonorarsatz als vereinbart. Es bleibt daher besonders wichtig, in Architekten- und Ingenieurverträgen eine konkrete und dem Einzelfall gerecht werdende Honorarvereinbarung zu treffen.
Verfasst von: Dr. Lukas Claasen.