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Das Bundesverfassungsgericht erklärt den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig

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Ein kur­zer Über­blick über die Ent­schei­dungs­grün­de und des­sen Fol­gen

Am 25.03.2021 hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts das Ge­setz zur Mie­ten­be­gren­zung im Woh­nungs­we­sen in Ber­lin (Mie­ten­WoG Bln) mit dem Grund­ge­setz für un­ver­ein­bar und des­halb für nich­tig er­klärt. Die­ser Be­schluss wur­de am 15.04.2021 ver­öf­fent­licht.

Be­grün­det wur­de die Auf­he­bung da­mit, dass Re­ge­lun­gen zur Miet­hö­he für frei fi­nan­zier­ten Wohn­raum, der auf dem frei­en Woh­nungs­markt an­ge­bo­ten wer­den kann (un­ge­bun­de­ner Wohn­raum), in die kon­kur­rie­ren­de Ge­setz­ge­bungs­zu­stän­dig­keit fällt. Die Län­der sind nur zur Ge­setz­ge­bung be­fugt, so­lan­ge und so­weit der Bund von sei­ner Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz kei­nen ab­schlie­ßen­den Ge­brauch ge­macht hat (Art. 70, Art. 72 Abs. 1 GG). Da der Bun­des­ge­setz­ge­ber das Miet­preis­recht in den §§ 556 bis 561 BGB je­doch be­reits ab­schlie­ßend ge­re­gelt hat, ist auf­grund der Sperr­wir­kung des Bun­des­rechts für die Ge­setz­ge­bungs­be­fug­nis der Län­der kein Raum mehr. Da das Mie­ten­WoG Bln im Kern eben­falls die Miet­hö­he für un­ge­bun­de­nen Wohn­raum re­gelt, ist es ins­ge­samt nich­tig.

All­ge­mei­nes zum Ber­li­ner Mie­ten­de­ckel

Das Ge­setz zur Mie­ten­be­gren­zung im Woh­nungs­we­sen in Ber­lin, der sog. Ber­li­ner Mie­ten­de­ckel, wur­de am 30.01.2020 vom Ber­li­ner Ab­ge­ord­ne­ten­haus be­schlos­sen und ist am 23.02.2020 in Kraft ge­tre­ten. Dar­auf ba­sie­rend hat­te am 02.04.2020 die zu­stän­di­ge Ber­li­ner Se­nats­ver­wal­tung Aus­füh­rungs­vor­schrif­ten für die An­wen­dung des Mie­ten­WoG BIn er­las­sen, in die­sen der An­wen­dungs­be­reich des Mie­ten­de­ckels und die Miet­ober­gren­zen so­wie die Re­ge­lun­gen über Buß­gel­der bei Ver­stö­ßen nä­her kon­kre­ti­siert wur­den. Kern des Lan­des­ge­set­zes zur Mie­ten­be­gren­zung im Woh­nungs­we­sen in Ber­lin wa­ren die für fünf Jah­re gel­ten­de öf­fent­lich-recht­li­che Be­gren­zung der Mie­ten. Da­mit soll­te ei­ne Brem­sung der Preis­ent­wick­lung auf dem frei­en Mie­ten­markt er­reicht wer­den, um die Mie­ten wie­der auf ein so­zi­al­ver­träg­li­ches Maß zu­rück­zu­füh­ren.

Ver­fas­sungs­recht­li­che Be­den­ken ge­gen­über dem Mie­ten­WoG BIn be­reits seit Be­ginn des In­kraft­tre­tens

Ge­gen­über dem Mie­ten­WoG BIn be­stan­den be­reits seit des­sen Er­las­sung ver­fas­sungs­recht­li­che Be­den­ken. Es war von An­fang an um­strit­ten, ob das Land Ber­lin ge­gen­über dem Bund ei­ne Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz für die Re­ge­lun­gen zu den Miet­ober­gren­zen hat so­wie ob der Ein­griff in die Grund­rech­te der Ei­gen­tü­mer ge­recht­fer­tigt ist. In der Be­schluss­vor­la­ge wur­de dies­be­züg­lich an­ge­merkt, dass das Mie­ten­WoG BIn in vie­ler­lei Hin­sicht ei­nen stär­ke­ren Schutz vor Miet­erhö­hun­gen bie­tet als die Be­stim­mun­gen des BGB und die­ses we­gen der un­ter­schied­li­chen An­satz­punk­te und Re­ge­lungs­in­hal­te nicht ob­so­let macht noch zu des­sen Ver­drän­gung führt.

Der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts hat­te nun die Fra­ge der Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz des Lan­des Ber­lin zu klä­ren und kam zum Leid­we­sen vie­ler Mie­ter je­doch zu ei­ner an­de­ren Ein­schät­zung als das Land Ber­lin. Ei­ne Ent­schei­dung, ob der Ber­li­ner Mie­ten­de­ckel auch ei­nen Ein­griff in die Grund­rech­te dar­stel­le, war nicht Ge­gen­stand die­ses Ver­fah­rens und wird auf­grund der Nich­ti­g­er­klä­rung auch nicht mehr ge­trof­fen wer­den.

Die bun­des­wei­ten Vor­schrif­ten zur Re­gu­lie­rung der Miet­hö­he sind ver­fas­sungs­kon­form

Die mit dem 2015 be­schlos­se­nen Miet­rechts­no­vel­lie­rungs­ge­setz ge­schaf­fe­nen bun­des­wei­ten Vor­schrif­ten zur Re­gu­lie­rung der Miet­hö­he bei Miet­be­ginn im nicht preis­ge­bun­de­nen Wohn­raum (so­ge­nann­te „Miet­preis­brem­se“, nä­he­re In­fos sie­he hier) wur­den eben­so be­reits ei­ner ver­fas­sungs­recht­li­chen Prü­fung un­ter­zo­gen (BVerfG, Be­schluss der 3. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 18.06.2019, – 1 BvL 1/18, Rn. 1-121). Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt stell­te je­doch kei­ne Ver­fas­sungs­wid­rig­keit fest. Die Re­gu­lie­rung der Miet­hö­he bei Miet­be­ginn durch § 556d Abs. 1 BGB ver­letzt we­der die Ga­ran­tie des Ei­gen­tums noch die Ver­trags­frei­heit oder den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz. (Die­ses The­ma ha­ben wir be­reits in un­se­rem Blog­bei­trag vom 03.09.2019 be­han­delt.)

Kon­se­quen­zen für die Mie­ter

Die Auf­he­bung des Ber­li­ner Mie­ten­de­ckels be­deu­tet für die Mie­ter nun, dass nun­mehr wie­der das so­zia­le Miet­preis­recht des BGB gilt und sie An­sprü­chen der Ver­mie­ter auf Nach­zah­lung der nun zu Un­recht ge­kürz­ten Mie­ten aus­ge­setzt sind. Zu be­ach­ten ist in die­sem Zu­sam­men­hang auch, dass zu Un­recht nicht ge­zahl­te Mie­ten, wenn sie zwei Mo­nats­mie­ten über­stei­gen, auch da­zu füh­ren, dass der Ver­mie­ter frist­los kün­di­gen kann. In den Me­di­en so­wie in der Po­li­tik wer­den be­reits so­zi­al­ver­träg­li­che Lö­sun­gen für die Mie­ter ge­for­dert; ge­setz­li­che An­sprü­che der Mie­ter hier­auf be­ste­hen je­doch nicht.

Im Jahr der Bun­des­tags­wahl wird die­ses The­ma nun auch als Wahl­kampf­the­ma ge­nutzt. Die Par­tei Die Lin­ke for­dert be­reits ei­nen Mie­ten­de­ckel als bun­des­ein­heit­li­che Re­ge­lung. Auch Grü­ne und SPD ha­ben Va­ri­an­ten von ge­de­ckel­ten Mie­ten und Miet­ober­gren­zen in ih­ren Wahl­pro­gram­men. So­lan­ge es aber kein bun­des­ein­heit­li­ches Ge­setz gibt, ist der Miet­de­ckel zu­nächst „vom Tisch“. Mit ei­ner bun­des­wei­ten rück­wir­ken­den Wie­der­ein­füh­rung ist nicht zu rech­nen; dies wä­re ver­fas­sungs­recht­lich be­denk­lich. Zu­dem stün­de wie be­reits er­wähnt, auch die Fra­ge ei­nes mög­li­chen Grund­rechts­ein­grif­fes nach wie vor im Raum.

In­ter­es­sant ist in die­sem Zu­sam­men­hang auch das Ur­teil des Bun­des­ge­richts­ho­fes vom 28.01.2021, III ZR 25/20. Hier hat der Bun­des­ge­richts­hof be­reits ent­schie­den, dass Mie­ter kei­ne Amts­haf­tungs­an­sprü­che gel­tend ma­chen kön­nen, wenn ei­ne Mie­ten­be­gren­zungs­ver­ord­nung für rechts­wid­rig er­klärt wird. Im vor­lie­gen­den Fall hat­te das Land Hes­sen beim Er­lass der Mie­ten­be­gren­zungs­ver­ord­nung, die er­for­der­li­che Be­grün­dung un­ter­las­sen. Ei­ne rück­wir­ken­de Hei­lung die­ses Form­feh­lers konn­te auch durch ei­ne nach­träg­li­che Ver­öf­fent­li­chung der Be­grün­dung nicht er­reicht wer­den.

Zum Hin­ter­grund: Mie­ter ver­klag­ten das Land Hes­sen auf Scha­den­er­satz we­gen Mie­te, die sie nicht hät­ten zah­len müs­sen, wä­re die Ver­ord­nung rechts­wirk­sam er­las­sen wor­den.

Ei­nen An­spruch auf Er­satz des Scha­dens lehn­te der Bun­des­ge­richts­hof mit der Be­grün­dung ab, dass ein Er­lass ei­ner un­wirk­sa­men Miet­preis­be­gren­zungs­ver­ord­nung kei­ne Ver­let­zung ei­ner dritt­ge­rich­te­ten Amts­pflicht im Sin­ne des § 839 BGB dar­stellt und ei­ne Staats­haf­tung auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt des Ver­trau­ens­schut­zes sug­ge­riert wer­den könn­te. Die Miet­preis­be­gren­zungs­ver­ord­nung rich­tet sich nicht an die Be­lan­ge be­stimm­ter Ein­zel­ner, son­dern an die All­ge­mein­heit und be­trifft da­mit kei­nen in­di­vi­du­ell be­grenz­ten Per­so­nen­kreis. Da­mit liegt kein Maß­nah­men- oder Ein­zel­fall­ge­setz im Sin­ne des § 839 BGB vor. Ei­ne be­son­de­re Be­zie­hung zwi­schen der ver­letz­ten Amts­pflicht und dem ge­schä­dig­ten „Drit­ten“ be­steht da­mit nicht. Auch ein zu schüt­zen­des Ver­trau­en auf den Be­stand der Re­ge­lung hat das Ge­richt nicht an­ge­nom­men.

Die­se Be­grün­dung lässt dar­auf schlie­ßen, dass auf­grund der Ver­gleich­bar­keit des Re­ge­lungs­in­hal­tes auch die vom „Ber­li­ner Mie­ten­de­ckel“ Be­trof­fe­nen kei­ne Amts­haf­tungs­an­sprü­che ge­gen das Land Ber­lin gel­tend ma­chen wer­den kön­nen.

 

Verfasst von Sabine Reimann and Kerstin Schoening.

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