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Klauen, Zähne, Biss – Der Regierungsentwurf zur 11. GWB-Novelle

Nach monatelangen Querelen hat die Bundesregierung kurz vor Ostern den Regierungsentwurf für die 11. GWB-Novelle veröffentlicht. Der Entstehungsprozess war konfliktreich und durch abweichende Positionen innerhalb der Regierung sowie massive Kritik in diversen Verbandsstellungnahmen geprägt, die zum ursprünglichen Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) eingegangen waren. Die Kritik verfing jedoch offenbar nur teilweise. Der Entwurf bleibt in seinen Grundzügen unverändert und nimmt die schon im ersten Entwurf enthaltenen Kernelemente auf – einschließlich des wesentlichen Zankapfels, der Möglichkeit einer Entflechtung von Unternehmen aufgrund von erheblichen Wettbewerbsstörungen. Im Detail wurde allerdings teils deutlich nachgeschärft. Wir stellen die wesentlichen Änderungen dar und ordnen sie für die Praxis ein.

Die Eckpunkte

Nach wie vor ruht die 11. GWB-Novelle auf drei Säulen:

  1. Es wird ein neues Eingriffsinstrument geschaffen, mit dem das Bundeskartellamt („BKartA“) im Anschluss an eine Sektoruntersuchung festgestellte „Störungen des Wettbewerbs“ abstellen kann. Dabei kommen grundsätzlich sowohl verhaltensbezogene Maßnahmen als auch strukturelle Maßnahmen (also Veräußerungsverpflichtungen) in Betracht – auch bezogen auf mehrere Unternehmen.
  2. Dem BKartA wird die Möglichkeit erleichtert, durch Kartellrechtsverstöße erlangte wirtschaftliche Vorteile wieder abzuschöpfen. Ein in der Praxis bislang ungenutztes Instrument soll dadurch belebt werden, was insbesondere in Verfahren zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (erstmals) zu finanziellen Belastungen kartellrechtswidrig handelnder Unternehmen führen kann.
  3. Es werden die rechtliche Grundlagen dafür geschaffen, dass das BKartA die EU-Kommission bei der Durchsetzung des neuen Digital Markets Act (DMA) unterstützen kann. Flankierend dazu wird auch die private Durchsetzung des DMA erleichtert.

Wir haben dieses Grundgerüst bereits in einem früheren Beitrag zum Referentenentwurf des Gesetzes dargestellt (hier) und beschränken uns im Folgenden auf die wesentlichen Änderungen zu den Punkten 1. und 2. Diese hatten im Vorfeld die höchsten Wellen geschlagen – und erfahren nun auch die meisten Nachjustierungen.

Ein ganz neues Werkzeug: Eingriffsbefugnisse nach Sektoruntersuchungen

Wie bisher geplant soll § 32f GWB die Grundlage für ganz neue Eingriffsbefugnisse liefern. Kurz gesagt: Im Anschluss an eine Sektoruntersuchung kann das BKartA dann, wenn es eine Störung des Wettbewerbs feststellt, sog. Abhilfemaßnahmen auferlegen und damit auch solche Unternehmen belasten, denen keinerlei Kartellrechtsverstoß nachgewiesen werden kann. Es handelt sich um das Herzstück der Reform, zugleich aber auch um den Punkt, der im Vorfeld – es ging das Wort vom „Paradigmenwechsel“ – die meiste Kritik auch sich gezogen hatte. Dementsprechend zahlreich sind die nun vorgenommenen Änderungen.

  • Anders als im Referentenentwurf reicht nicht mehr aus, dass „eine erhebliche, andauernde oder wiederholte Störung des Wettbewerbs“ vorliegt. Vielmehr muss das Amt per Verfügung feststellen, dass eine erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs besteht, und zwar auf (1) mindestens einem zumindest bundesweiten Markt, (2) mehreren einzelnen Märkten oder (3) marktübergreifend.
  • Wie von vielen Kritikern gefordert, wird zudem konkretisiert, was überhaupt eine „Störung des Wettbewerbs“ ausmachen soll. Sie kann „insbesondere“ in folgenden vier Fällen vorliegen: (1) einseitiger Angebots- oder Nachfragemacht, (2) Beschränkungen des Marktzutritts, des Marktaustritts oder der Kapazitäten von Unternehmen oder des Wechsels zu einem anderen Anbieter oder Nachfrager („Wechselhemmnissen“), (3) gleichförmigem oder koordiniertem Verhalten oder (4) bei der Abschottung von Einsatzfaktoren oder Kunden durch vertikale Beziehungen. Hierdurch wird die im GWB bisher unbekannte Begrifflichkeit der „Wettbewerbsstörung“ durch in der Kartellrechtspraxis bekannte Schadenstheorien konturiert, die insbesondere auf monopolistisch oder oligopolistisch geprägten Märkten eine Rolle spielen können. Dies ist eine begrüßenswerte Klarstellung, wobei weitere Nachschärfungen im Gesetzgebungsprozess wünschenswert wären. Insbesondere fällt auf, dass der Fall der „Angebots- oder Nachfragemacht“ nicht durch Begriffe wie „spürbar“, „erheblich“ oder „wesentlich“ weiter qualifiziert ist. Irgendeine Angebotsmacht z.B. wird jedoch sehr vielen Marktteilnehmern auf allen denkbaren Märkten zukommen – und zwar offensichtlich ohne dass dies den Wettbewerb stört.
  • Auch wird definiert, wann eine solche Wettbewerbsstörung „fortwährend“ ist. Dabei wird zugleich prognostiziert und Rückschau gehalten: Die Störung muss zum einen „über einen Zeitraum von drei Jahren dauerhaft vorgelegen“ haben oder „oder wiederholt aufgetreten“ sein. Und zum anderen dürfen zum Zeitpunkt der vom BKartA auszusprechenden Verfügung „keine Anhaltspunkte bestehen, dass die Störung innerhalb von zwei Jahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entfallen wird.“
  • Aber selbst wenn eine erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs vorliegt, kann das BKartA nicht ohne Weiteres eingreifen. Es muss vielmehr begründen, dass nach den im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Erkenntnissen die sonstigen Eingriffsbefugnisse nach dem GWB voraussichtlich nicht ausreichen werden, um der Wettbewerbsstörung „angemessen entgegenzuwirken“. Die neuen Eingriffsbefugnisse sind also als subsidiär gegenüber dem „klassischen“ Werkzeugkasten der Behörde konzipiert (insbesondere gegenüber verhaltensbezogenen Abstellungsmaßnahmen nach § 32 Abs. 2 Satz 1 GWB).
  • Ferner können Eingriffsverfügungen nur an solche Unternehmen ergehen, „die durch ihr Verhalten zur Störung des Wettbewerbs wesentlich beitragen“. Das Kriterium der Wesentlichkeit soll dazu dienen, solche Unternehmen aus dem Adressatenkreis auszuklammern, die „offensichtlich keinen oder nur einen ganz entfernten oder geringfügigen Beitrag zu der Wettbewerbsstörung geleistet haben“. Ein wesentlicher Beitrag kann dabei zwar schon „in jedem am Markt spürbaren Verhalten“ liegen. Bei der Auswahl der Adressaten und der Abhilfemaßnahmen ist aber „insbesondere auch die Marktstellung des Unternehmens zu berücksichtigen“. Hier drückt sich der Willen der Bundesregierung aus, die neuen Eingriffsmaßnahmen möglichst zielgenau auf konkrete „Störer“ (und dort auf die für den Markt bedeutsamsten) zu konzentrieren. Dabei soll der Adressatenkreis jedenfalls zunächst möglichst klein gehalten werden. Das lässt sich aus der Klarstellung schließen, dass das Amt seine Verfügung zu einem späteren Zeitpunkt auf weitere Unternehmen auszudehnen kann. Abgeschichtetes Vorgehen ist möglich und erwünscht.
  • Es zeigt sich so insgesamt ein entzerrtes, zweistufiges Regelungskonzept: Das BKartA muss zunächst die erhebliche und fortwährende Wettbewerbsstörung konkret gegenüber einzelnen möglichen Adressaten von Eingriffsmaßnahmen feststellen. Erst auf dieser Basis kann es Abhilfemaßnahmen verhängen. Das soll betroffenen Unternehmen eine gerichtliche Überprüfung der Frage ermöglichen, ob eine solche Störung überhaupt vorliegt. Rechtsbehelfe haben insoweit aber keine aufschiebende Wirkung.
  • Was die eigentlichen Anordnungen angeht, so kommen nach wie vor „alle Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art“ in Betracht. Auffällig ist jedoch, dass der Regierungsentwurf zwei in der Vorversion explizit genannte Maßnahmen wieder streicht, nämlich (1) die Pflicht zur Belieferung anderer Unternehmen (einschließlich der Einräumung von Nutzungsrechten an geistigem Eigentum, also Zwangslizenzen) und (2) „behördliche oder vergleichbare Zulassungen oder Genehmigungen“. Stattdessen wird eine neue Maßnahme hervorgehoben, nämlich „das Verbot der einseitigen Offenlegung von Informationen, die ein Parallelverhalten von Unternehmen begünstigen“. Dies zielt erkennbar auf den ursprünglichen Anlass der 11. GWB-Novelle ab, nämlich die Vermutung wettbewerbsarmer und informationstransparenter Mineralölmärkte. Wie bisher handelt es sich bei allen genannten Abhilfemaßnahmen jedoch nur um Regelbeispiele, nicht um eine abschließende Aufzählung.
  • Ebenfalls angepasst wird die Entflechtungsanordnung. Diese schon zuvor als ultima ratio konzipierte Eingriffsmaßnahme, bei der den Adressaten eine Pflicht zur Veräußerung von Unternehmensteilen oder Vermögen auferlegt wird, darf weiterhin nur ergehen, wenn sie die festgestellte Wettbewerbsstörung mindestens erheblich verringert. Doch werden nun einige weitere Vorgaben getroffen, die die Einsatzfähigkeit dieses Instruments weiter begrenzen.
  • So soll eine Entflechtung nur gegenüber Unternehmen zum Tragen kommen, die entweder marktbeherrschend sind oder für die bereits (durch gesonderte Verfügung) eine überragende marktübergreifende Bedeutung nach § 19a GWB festgestellt worden ist.
  • Als weitere (hohe) Hürde für die Anordnung von Veräußerungspflichten wird ferner eine Wertbetrachtung integriert: Selbst wenn das BKartA nachweisen kann, dass andere gleich wirksame Abhilfemaßnahmen nicht in Betracht kommen, muss ein Unternehmen nur dann Vermögensteile veräußern, wenn der Erlös hierbei mindestens 50% des Wertes beträgt, den ein vom BKartA zu beauftragender Wirtschaftsprüfer festgestellt hat. Überschreitet der tatsächliche Verkaufserlös zwar diese Schwelle, liegt er aber unterhalb des vom Wirtschaftsprüfer festgestellten Werts, erhält das Unternehmen eine zusätzliche Zahlung vom Staat. Diese soll bei der Hälfte des Differenzbetrags zwischen festgestelltem Wert und tatsächlichem Verkaufserlös liegen. Die Stoßrichtung dieser Ergänzung ist, zumal der Bund auch die Kosten für die Wertgutachten tragen soll, klar: Der Staat soll sich an den durch (Notfall-)Zwangsveräußerungen entstehenden Wertverlusten beteiligen. Die Anreize für einen allzu forschen Einsatz von Veräußerungsverpflichtungen werden so gemindert.
  • Auch das Verhältnis von Veräußerungsverpflichtungen zur Fusionskontrolle wird unternehmensfreundlich nachjustiert. Schon zuvor galt: Soll sich eine solche Anordnung auf Vermögensteile beziehen, die das Unternehmen zuvor erst erworben und für die es eine bestandskräftige fusionskontrollrechtliche Freigabe oder Ministererlaubnis erhalten hatte, so ist dies erst nach Ablauf einer gewissen Frist (zwischen Zustellung der Freigabeentscheidung und Zustellung der Entflechtungsanordnung) möglich. Der Referentenentwurf diese auf mindestens fünf Jahre fest. Sie wird nun auf “mehr als zehn Jahre” erhöht.
  • Neu sind außerdem drei Verfahrensvorgaben:
  • Es wird ergänzt, dass das BKartA für Eingriffe in regulierten Industrien des Einvernehmens der Bundesnetzagentur bedarf. Dies betrifft die Bereiche Eisenbahn, Post und Telekommunikation sowie die regulierten Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze. In diesen Fällen muss die Bundesnetzagentur zudem eine Stellungnahme veröffentlichen.
  • Außerdem muss das BKartA nach Einleitung eines Verfahrens zu seinen neuen Eingriffsbefugnissen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen. Hierauf kann nur mit Einverständnis der Beteiligten verzichtet werden. Mit der hierdurch geschaffenen Publizität soll der Bedeutsamkeit der dem Amt ermöglichten Markteingriffe – und letztlich dem Stellenwert des Wettbewerbs für die marktwirtschaftliche Ordnung – Rechnung getragen werden.
  • Ferner erhalten Rechtsbehelfe gegen Entflechtungsanordnungen aufschiebende Wirkung; dies stellt ein weiteres Mittel dar, mit dem die Position der Unternehmen gegenüber dieser höchst einschneidenden Maßnahme gestärkt wird.
  • Schließlich klargestellt, dass nach dem Abschluss einer verbraucherrechtlichen Sektoruntersuchung keine weiteren Eingriffsbefugnisse gelten. Diese dürfen nur an kartellrechtliche Untersuchungen anknüpfen. Die Klarstellung war nötig, da das Amt seit einigen Jahren nicht nur im Kartellrecht Sektoruntersuchungen durchführen kann. Für verbraucherrechtliche Sektoruntersuchungen ist aber rechtspolitisch noch ungeklärt, ob und wie die Position des BKartA gestärkt werden soll.

Ein ganz altes Werkzeug: Die Vorteilsabschöpfung wird wiederbelebt

Deutlich weniger Änderungen gibt es bei der Vorteilsabschöpfung, deren Wurzeln in die 1980er Jahre zurückreichen und die nun für das Amt praktisch handhabbarer gemacht werden soll. Aus Unternehmenssicht ist der jetzige Befund dabei gemischt.

  • Positiv fällt – jedenfalls verglichen mit dem ursprünglichen Entwurf – die Fristenregelung ins Auge. Gegenwärtig kann die Abschöpfung nur innerhalb einer Frist von bis zu sieben Jahren seit Beendigung eines Kartellrechtsverstoßes und längstens für einen Zeitraum von fünf Jahren angeordnet werden. Der Referentenentwurf wollte dies drastisch ändern und die Frist von sieben auf zehn Jahre verlängern. Zudem sollte die Eingrenzung des relevanten Abschöpfungszeitraums ganz entfallen, sodass auch über einen deutlich länger währenden (Kartell-)Zeitraum wirtschaftliche Vorteile abgeschöpft werden können. Dieser Ansatz wird nun aufgegeben. Die jetzige Regelung unverändert und der maximale für die Abschöpfung relevante Zeitraum (fünf Jahre) wird als „Abschöpfungszeitraum“ legaldefiniert.
  • Dieser Abschöpfungszeitraum wird nun mit der für die Abschöpfungshöhe relevanten Vermutungsregel verknüpft. Wie bisher sieht diese vor, dass der wirtschaftliche Vorteil, den das BKartA abschöpfen kann, bei mindestens 1% der Umsätze liegt, die im Inland mit den Produkten oder Dienstleistungen, die mit dem Kartellrechtsverstoß in Zusammenhang stehen, erzielt wurden. Wollte der ursprüngliche Entwurf diese Vermutungswirkung zeitlich noch auf die gesamte Verstoßdauer erstrecken – die unter Umständen deutlich jenseits von fünf Jahren liegen kann – ist nun klar: Für mehr als den maximal fünf Jahre andauernden Abschöpfungszeitraum kann sie nicht in Anspruch genommen werden.
  • Auf der anderen Seite wird, aus Unternehmenssicht misslich, an der extremen Erschwernis einer Vermutungswiderlegung festgehalten. Es wird nun sogar explizit ergänzt: „Gegen die Vermutung […] kann nicht vorgebracht werden, dass kein wirtschaftlicher Vorteil oder ein Vorteil in nur geringer Höhe angefallen ist“.
  • Eine Widerlegung der Vermutung kommt (das ist neu) nur in Betracht, „wenn die Erlangung eines Vorteils aufgrund der besonderen Natur des Verstoßes ausgeschlossen ist“ oder aber (dies war schon im bisherigen Entwurf so), wenn das betroffene Unternehmen nachweist, dass weder die am Verstoß unmittelbar beteiligte juristische Person noch das Unternehmen insgesamt im relevanten Zeitraum einen Gewinn in entsprechender Höhe erzielt hat. Für diesen „Vergleichsgewinn“ wird dabei aber auf die weltweiten Gewinne der gesamten Unternehmensgruppe abgestellt. Bei diversifizierten und/oder international aufgestellten Unternehmen dürften die weltweiten Konzerngewinne aber regelmäßig bei mindestens 1% (nur) der deutschen Umsätze (nur) mit kartellierten Produkten liegen.
  • Eine Vermutungswiderlegung dürfte damit praktisch allenfalls aufgrund der genannten „Natur des Verstoßes“-Ausnahme gelingen. Der Rückgriff hierauf aber wird voraussichtlich Seltenheitswert haben. Er soll nach dem Entwurf dann denkbar sein, wenn mehr oder weniger offensichtlich ist, dass aus dem Kartellverstoß entweder gar kein wirtschaftlicher Vorteil erwachsen ist (z.B. bei Submissionsabsprachen, die nicht zu Auftragszuschlägen führen) oder ein solcher Vorteil nur bei Dritten, nicht aber bei dem den Kartellverstoß begehenden Unternehmen selbst entstanden sein kann (z.B. bei missbräuchlichen Konzessionsvergaben durch Kommunen, die nicht die Kommune selbst, sondern außenstehende Unternehmen begünstigen).

Und jetzt…?

Aus Sicht des BMWK stellt der Regierungsentwurf einen großen Erfolg dar, zumal es einige Wochen lang so aussah, als könne die erstmals im Juni letzten Jahres mit Verve angekündigte Reform – man wollte bekanntlich ein „Kartellrecht mit Klauen und Zähnen“ – im politischen Prozess versanden. Zu groß war der Widerstand aus Verbänden, Anwaltschaft – und auch von den eigenen Koalitionspartnern. Es verwundert daher wenig, wenn Wirtschaftsminister Habeck die 11. GWB-Novelle als „größte Reform des Wettbewerbsrechts seit Ludwig Erhard“ lobt. Und in der Tat konnte der Minister alle in seinem Referentenentwurf gesetzten Eckpunkte erhalten. Wie bereits vor Monaten vermutet, darf also konstatiert werden: Was damals im Referentenentwurf zu lesen war, hat nun – jedenfalls in seinen wesentlichen Zügen – sehr gute Chancen auf die Gesetzwerdung. Das zeigt sich auch daran, dass die dentalen Metaphern nun auch beim Koalitionspartner verfangen: In der gemeinsamen Pressekonferenz lobte Justizminister Buschmann den Entwurf als Ausdruck des Strebens nach einer „Wettbewerbsbehörde mit Biss“.

Aber: die teils massive Kritik, die dem Referentenentwurf entgegengeschlagen war, ist nicht ohne Spuren geblieben. Es ist nun klar, dass der hauptsächliche Zankapfel, die neuen Eingriffsbefugnisse des BKartA nach § 32f GWB, kein Blankoscheck für das Amt sind und insbesondere die Möglichkeit der Entflechtung kein für die Praxis prägendes Instrument sein wird. Tatsächlich sind ihre Voraussetzungen nun so streng formuliert (und zudem mit finanziellen Hemmnissen versehen), dass es schwerfällt, sich dieses Instrument überhaupt im realen Einsatz vorzustellen. Doch auch insgesamt ist das „neue Besteck“ des Amtes nun zwar scharf – aber auch gut verschlossen. Dementsprechend meldete Kartellamtspräsident Andreas Mundt schon unmittelbar nach Bekanntwerden des Entwurfs Zweifel an der Praktikabilität der neuen Befugnisse für sein Haus an. Ihr Anwendungsbereich sei nun deutlich enger, was in einem Spannungsverhältnis zum Ziel vorhersehbarer und zügiger Verfahren stehe.

Der Entwurf muss nun noch Bundesrat und Bundestag passieren, bevor er – wohl noch in diesem Jahr – Gesetz wird. Auf dem Weg dahin wird die Kritik nicht abebben – schon allein, weil marktbreite Interventionen durch die Kartellbehörde in Deutschland keine Tradition haben und ihre Wirkungen auch solche Unternehmen (nachteilig) treffen können, die sich selbst rechtstreu und wettbewerbskonform verhalten haben.

So bleibt ein Störgefühl, zumal just am Tag der Entwurfsveröffentlichung interessante Nachrichten aus dem Vereinigten Königreich kamen, dessen Regelungen für die neuen Eingriffsbefugnisse des BKartA Pate standen: Dort hat die Kartellbehörde eine Marktuntersuchung zum Anlass genommen, die Preise für das Angebot von Notfallkommunikationsdiensten zu deckeln und damit ganz erheblich in die wesentlichen Bedingungen eines bereits seit vielen Jahren laufenden Vertrags eingegriffen – für die Dauer von sechs Jahren! Dies zeigt, welche Machtfülle den Wettbewerbsbehörden hier zukommt. Insoweit lässt sich sagen: Die in den letzten Monaten oft bemühte „Zeitenwende“ hat nun auch das Kartellrecht erreicht. Alle in Deutschland aktiven Unternehmen müssen sich hierauf einstellen.

 

 

 

Verfasst von Florian von Schreitter

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