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Pandemiebedingte Betriebsschließung – Leistungspflichten der Versicherer

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Die 10. Kam­mer für Han­dels­sa­chen des Land­ge­richts Düs­sel­dorf hat mit Ur­teil vom 19.02.2021 (40 O 53/20) ent­schie­den, dass  ein Ver­si­che­rer zur Leis­tung ei­ner Ent­schä­di­gung im Fal­le ei­ner be­hörd­lich an­ge­ord­ne­ten Be­triebs­schlie­ßung nach dem In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz auch für den neu­en Er­re­ger des SARS-Co­V2 ver­pflich­tet ist, ob­wohl die All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen die Ein­stands­pflicht auf das Auf­tre­ten ein­zel­ner, im In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz ge­nann­ter Krank­hei­ten be­schrän­ken.  Die­se Klau­sel hält die 10. Kam­mer für un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gend und oh­ne ent­spre­chen­de Auf­klä­rung selbst ge­gen­über ei­nem Kauf­mann ge­mäß § 307 BGB für un­wirk­sam.

Zum Hin­ter­grund:

Die bei­den Klä­ger sind Be­trei­ber drei­er Nacht­lo­ka­le in der Düs­sel­dor­fer Alt­stadt und hat­ten in den Jah­ren 2017 und 2018 bei der be­klag­ten Ver­si­che­rung ei­ne sog. Be­triebs­schlie­ßungs­ver­si­che­rung ab­ge­schlos­sen. In den All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen fin­det sich fol­gen­der Pas­sus:

„Der Ver­si­che­rer leis­tet Ent­schä­di­gung für den Fall, dass von der zu­stän­di­gen Be­hör­de auf­grund des Ge­set­zes zur Ver­hü­tung von In­fek­ti­ons­krank­hei­ten beim Men­schen (In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz – IfSG) ge­mäß BII 4 § 1

– der ver­si­cher­te Be­trieb ge­schlos­sen wird ge­mäß B II 4 § 1 Nr. 1:[…]

Un­ter B II 4 § 1 und § 2 heißt es:

§ 1 Ver­si­che­rungs­um­fang

Der Ver­si­che­rer leis­tet […] Ent­schä­di­gung, wenn die zu­stän­di­ge Be­hör­de auf­grund des Ge­set­zes zur Ver­hü­tung und Be­kämp­fung von In­fek­ti­ons­krank­hei­ten beim Men­schen (In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz – IfSG) beim Auf­tre­ten mel­de­pflich­ti­ger Krank­hei­ten oder Krank­heits­er­re­ger (sie­he § 2)

1. den ver­si­cher­ten Be­trieb oder ei­ne ver­si­cher­te Be­triebs­stät­te des ver­si­cher­ten Be­trie­bes zur Ver­hin­de­rung der Ver­brei­tung von mel­de­pflich­ti­gen Krank­hei­ten oder Krank­heits­er­re­gern beim Men­schen schließt; […]

§ 2 Mel­de­pflich­ti­ge Krank­hei­ten und Krank­heits­er­re­ger

Mel­de­pflich­ti­ge Krank­hei­ten oder Krank­heits­er­re­ger im Sin­ne die­ser Be­din­gun­gen sind die fol­gen­den, im IfSG in den §§ 6 und 7 na­ment­lich ge­nann­ten Krank­hei­ten oder Krank­heits­er­re­ger; […]

Am 18.03.2020 muss­ten die Klä­ger auf­grund ei­ner All­ge­mein­ver­fü­gung der Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf vom 18.03.2020 zum Schutz der Be­völ­ke­rung vor dem Vi­rus SARS-CoV-2 ih­re Lo­ka­le schlie­ßen. Sie be­gehr­ten dar­auf­hin von dem Ver­si­che­rer ei­ne Ent­schä­di­gungs­leis­tung (im ge­gen­ständ­li­chen Fall in Hö­he von 75% ei­nes Ta­ges­um­sat­zes des Vor­jah­res be­zo­gen auf ei­nen Zeit­raum von 30 Ta­gen).

Die 10. Han­dels­kam­mer des Land­ge­richts Düs­sel­dorf gab der Kla­ge statt und be­grün­de­te dies wie folgt:

  • Die Bars hät­ten nach der All­ge­mein­ver­fü­gung der Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf vom 18.03.2020, die sich auf die Re­ge­lun­gen des In­fek­ti­ons­schutz­ge­set­zes be­zog, ge­schlos­sen wer­den müs­sen. Der Ver­si­che­rungs­fall sei auf­grund der Schlie­ßung ein­ge­tre­ten.

  • Der zu­ge­las­se­ne Au­ßer­haus­ver­kauf ha­be nicht zum Kern­be­reich des Ge­schäfts­mo­dells der drei Lo­ka­le ge­hört. Die Bar­be­trei­ber müss­ten sich nicht auf ei­ne zwar mög­li­che, aber un­ter­neh­me­risch nicht wirt­schaft­lich durch­zu­füh­ren­de Al­ter­na­ti­ve ver­wei­sen las­sen.

  • Ver­si­che­rungs­schutz be­ste­he, auch wenn zum Zeit­punkt der All­ge­mein­ver­fü­gung vom 18.03.2020 na­tur­ge­mäß der Er­re­ger SARS-Co­V2 noch nicht in der Lis­te der im In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz auf­ge­führ­ten Krank­hei­ten auf­ge­nom­men war.

  • Die Klau­sel in den Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen, die den Ver­si­che­rungs­fall auf die im al­ten In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz aus­drück­lich auf­ge­führ­ten Er­re­ger be­schrän­ke, sei un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gend und des­halb nach § 307 BGB un­wirk­sam.

  • Auch ge­gen­über ei­nem Kauf­mann ha­be die Ver­si­che­rung nicht aus­rei­chend klar her­aus­ge­stellt, dass der Ver­si­che­rungs­schutz für neu ent­ste­hen­de Krank­hei­ten aus­ge­schlos­sen sei.

Fa­zit:

Die 10. Han­dels­kam­mer teilt so­mit die Auf­fas­sung je­ner Ge­rich­te, die in Fäl­len der vor­lie­gen­den Art ei­nen Ver­si­che­rungs­schutz be­ja­hen (sie­he LG Mün­chen I, En­dur­teil vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20), und weicht in­so­fern auch von der haus­ei­ge­nen Ju­di­ka­tur ab. So hat­te die 9. Zi­vil­kam­mer des Land­ge­richts Düs­sel­dorf mit Ur­teil vom 09.02.2021 (9 O 292/20) ei­ne Leis­tungs­pflicht des Ver­si­che­rers mit dem Ar­gu­ment ver­neint, dass die Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen ei­nen sta­ti­schen Ver­weis auf die im In­fek­ti­ons­schutz­ge­setz an­ge­führ­ten Krank­hei­ten ent­hiel­ten und ei­ne auf dem Er­re­ger SARS-Co­V2 zu­rück­zu­füh­ren­de Be­triebs­schlie­ßung folg­lich nicht von der Ver­si­che­rung ge­deckt sei. Mit die­ser Auf­fas­sung folgt die 9. Zi­vil­kam­mer der der­zeit über­wie­gen­den Rechts­mei­nung in Li­te­ra­tur und Recht­spre­chung (LG Ham­burg, Ur­teil vom 3.11.2020, Az.332 O 190/20; LG Bay­reuth, Co­VuR 2020, 806/807 f; OLG Hamm, r+s 2020, 506 f, Gün­ter/Piontek, r+s 2020, 242/243).

Ge­gen die bei­den Ur­tei­le des Land­ge­richts Düs­sel­dorf kann Be­ru­fung er­ho­ben wer­den. Das Ober­lan­des­ge­richt Düs­sel­dorf hät­te die Fra­ge der Leis­tungs­pflicht ei­ner Be­triebs­schlie­ßungs­ver­si­che­rung so­dann er­neut zu klä­ren. Die Re­vi­si­on ge­gen ein Ur­teil des OLG Düs­sel­dorf kann gleich­falls nicht aus­ge­schlos­sen wer­den.

Im Fal­le, dass die Ent­schei­dung der 10. Han­dels­kam­mer höchst­ge­richt­lich be­stä­tigt wird, könn­ten die Ver­mie­ter den Mie­tern bei Gel­tend­ma­chung ei­ner Miet­zins­re­duk­ti­on ent­ge­gen­hal­ten, dass die­se ge­gen ih­re Scha­dens­mi­ni­mie­rungs­pflicht ver­sto­ßen hät­ten, da das sich ver­wirk­lich­te Ri­si­ko ei­ner Be­triebs­schlie­ßung auf­grund ei­ner Pan­de­mie ver­si­cher­bar ge­we­sen wä­re. Auch bei ei­ner et­wai­gen Ab­wä­gung der Zu­mut­bar­keit des Fest­hal­tens am Ver­trags­ver­hält­nis könn­te die Ver­si­cher­bar­keit des Ri­si­kos un­ter Um­stän­den zu ei­nem Aus­schluss von § 313 BGB füh­ren.

Je­ne Mie­ter, die über ei­ne Be­triebs­schlie­ßungs­ver­si­che­rung ver­fü­gen, hät­ten die Mög­lich­keit ei­nen Teil ih­rer Um­satz­ein­bu­ßen durch Ent­schä­di­gungs­leis­tun­gen ih­rer Ver­si­che­rung ab­zu­de­cken.

Die kon­tro­ver­se Dis­kus­si­on über das Be­ste­hen ei­ner Leis­tungs­pflicht im Rah­men der Be­triebs­schlie­ßungs­ver­si­che­rung in Fäl­len der vor­lie­gen­den Art und im Zu­ge der Dis­kus­si­on über Miet­min­de­run­gen we­gen pan­de­mie­be­ding­ter Schlie­ßun­gen führt folg­lich zu Rechts­un­si­cher­hei­ten auf bei­den Sei­ten. Ei­ne schnel­le Klä­rung wä­re wün­schens­wert.

 

Verfasst von Sabine Reimann and Kerstin Schoening and Dr. Christoph Küppers.

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