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Neues Urteil zu § 313 BGB im Zusammenhang mit COVID-19

Fol­gen für die Ho­tel­in­dus­trie

Für die Hö­he der An­pas­sung der Mie­te we­gen ei­ner Stö­rung der Ge­schäfts­grund­la­ge (§ 313 BGB) auf­grund von Be­her­ber­gungs­ver­bo­ten zur Ein­däm­mung von CO­VID-19 ist nach dem neu­es­ten Ur­teil des Land­ge­richts Mün­chen wei­ter­hin auf die Um­stän­de des kon­kre­ten Ein­zel­fal­les ab­zu­stel­len.

Das Land­ge­richt Mün­chen ent­schied mit Ur­teil vom 25.01.2021 über ei­ne Miet­zah­lungs­kla­ge ei­nes Ver­mie­ters, wel­cher dem Mie­ter ein Ge­bäu­de zum Be­trieb ei­nes Ho­tels ver­mie­tet. Der Mie­ter hat­te für die Mo­na­te April, Mai und Ju­ni 2020 kei­ne Mie­te ge­zahlt, nach­dem er sich nach ei­ner Kos­ten­rech­nung für die Schlie­ßung des Ho­tels ent­schie­den hat­te, ob­wohl Ho­tel­bu­chun­gen zu ge­werb­li­chen Zwe­cken wei­ter­hin zu­läs­sig wa­ren.

Hin­ter­grund der Ent­schei­dung

Zum 22.12.2020 (BGBL. 2020 Teil I Nr. 67, S. 3332) er­gänz­te der Ge­setz­ge­ber Art. 240 EGBGB um § 7 und stell­te da­mit klar, dass bei Ein­schrän­kun­gen des Be­trie­bes ge­werb­li­cher Mie­ter in Fol­ge von staat­li­chen Maß­nah­men zur Be­kämp­fung der CO­VID-19 Pan­de­mie ver­mu­tet wird, dass sich in­so­fern ein Um­stand, der im Sin­ne von § 313 Ab­satz 1 BGB zur Grund­la­ge des Miet­ver­tra­ges ge­wor­den ist, nach Ver­trags­schluss schwer­wie­gend ge­än­dert hat.

Be­reits zu­vor hat­ten Ge­rich­te sich mit der Fra­ge zu be­fas­sen, wie die Pan­de­mie und et­wai­ge zu de­ren Ein­däm­mung ge­trof­fe­ne staat­li­che Maß­nah­men in recht­li­cher Hin­sicht mit Blick auf even­tu­el­le Miet­kür­zun­gen zu be­ur­tei­len sind. Da­bei hat sich über­wie­gend her­aus­ge­bil­det, dass staat­lich an­ge­ord­ne­te Schlie­ßun­gen und an­de­re ein­schrän­ken­de Maß­nah­men im Zu­sam­men­hang mit CO­VID-19 je­den­falls kei­ne Man­gel­haf­tig­keit des Miet­ob­jekts be­grün­den, wel­che Mie­ter zu ei­ner Miet­min­de­rung be­rech­ti­gen wür­den. Auch ein Fall der Un­mög­lich­keit lie­ge in der Re­gel nicht vor.

Ver­ein­zelt al­ler­dings ha­ben Ge­rich­te be­reits vor der ge­setz­li­chen Klar­stel­lung in § 7 zu Art. 240 EGBGB ei­nen Fall der Stö­rung der Ge­schäfts­grund­la­ge an­ge­nom­men, wor­auf­hin es teil­wei­se auf Rechts­fol­gen­sei­te zur hälf­ti­gen Kür­zung der ge­schul­de­ten Mie­te kam (so et­wa das Land­ge­richt Mün­chen, Ur­teil vom 05.10.2020. – 34 O 6013/20). In un­se­ren Blog-Bei­trä­gen vom 30.10.2020 und 14.12.2020 hat­ten wir be­reits über die be­tref­fen­den Ent­wick­lun­gen in der Recht­spre­chung be­rich­tet.

Die Ent­schei­dung

Im Er­geb­nis hat das Land­ge­richt Mün­chen der Zah­lungs­kla­ge der Ver­mie­ters im We­sent­li­chen statt­ge­ge­ben und dem Ver­mie­ter den Zah­lungs­an­spruch hin­sicht­lich der of­fe­nen Mo­nats­mie­ten der Mo­na­te April bis ein­schließ­lich Ju­ni 2020 in Gän­ze zu­ge­spro­chen.

Zwar sei bei An­nah­me ei­ner Stö­rung der Ge­schäfts­grund­la­ge im Fall von CO­VID-19 im Grund­satz von ei­ner hälf­ti­gen Ver­tei­lung des Ver­wen­dungs­ri­si­kos aus­zu­ge­hen, da das wirt­schaft­li­che Ri­si­ko der Nutz­bar­keit am En­de bei­de Par­tei­en glei­cher­ma­ßen trä­fe – den Mie­ter, in­dem die­ser nicht oder nur ein­ge­schränkt Ge­win­ne er­zie­len kön­ne und den Ver­mie­ter, der die Miet­sa­che kaum zum ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Miet­preis an ei­nen Drit­ten ver­mie­ten kön­ne. Die Fest­le­gung ei­ner sol­chen Quo­te be­dür­fe aber stets ei­ner Be­grün­dung, die auf der Prü­fung der Um­stän­de des kon­kre­ten Ein­zel­falls be­ru­he. Für die wei­ter­hin ein­zu­be­zie­hen­de Be­ur­tei­lung der Un­zu­mut­bar­keit wä­re zu­dem an den Maß­stab der Ri­si­ko­ver­tei­lung an­zu­knüp­fen und stets klar da­nach zu dif­fe­ren­zie­ren, ob Um­satz­rück­gän­ge kau­sal auf et­wai­gen staat­li­chen Be­triebs­schlie­ßun­gen und Nut­zungs­be­schrän­kun­gen be­ru­hen oder le­dig­lich mit­tel­ba­re Fol­ge ei­nes ver­än­der­ten Kun­den­ver­hal­tens sei­en.

Im kon­kre­ten Fall sei nach An­sicht des Ge­richts mit in die Er­wä­gung ein­zu­be­zie­hen, dass dem Mie­ter trotz des Be­her­ber­gungs­ver­bots zu tou­ris­ti­schen Zwe­cken in den Mo­na­ten April bis No­vem­ber 2020 wei­ter­hin ei­ne Aus­las­tung mit Ge­schäfts­rei­sen­den mit bis zu durch­schnitt­lich 22% mög­lich ge­we­sen wä­re. Die Be­triebs­schlie­ßung des Mie­ters in den Mo­na­ten April bis Ju­ni 2020, wel­che der Mie­ter da­mit be­grün­de­te, bei ei­ner Be­le­gung un­ter 14% wä­ren hö­he­re Ver­lus­te ent­stan­den als bei ei­ner Schlie­ßung, ha­be da­mit al­lein auf ei­ner un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung des Mie­ters be­ruht. Ein wei­te­rer Ab­schlag müs­se auf­grund des Um­stands vor­ge­nom­men wer­den, dass der Mie­ter im be­tref­fen­den Zeit­raum wei­ter­hin im Be­sitz der Mie­träu­me ge­we­sen sei und et­wai­ge – un­ter re­gu­lä­rem Be­trieb kaum durch­zu­füh­ren­de – Ver­bes­se­run­gen oder sons­ti­ge Maß­nah­men hät­te vor­neh­men kön­nen, was ei­nen Ab­schlag von wei­te­ren 5% (be­rech­net auf ei­nen Zeit­raum von mo­nat­lich et­wa 1,5 Ta­gen oder täg­lich 1,5 Stun­den) in der Ri­si­ko­ver­tei­lung recht­fer­ti­ge. Ei­ne Ver­tei­lung des CO­VID-19 Ri­si­kos ha­be folg­lich nur hin­sicht­lich der üb­ri­gen rund 73% der ge­schul­de­ten Mie­te statt­zu­fin­den.

In die­sem Zu­sam­men­hang sei je­doch zu be­rück­sich­ti­gen, dass der Mie­ter als Zah­lungs­schuld­ner grund­sätz­lich ver­schul­dens­un­ab­hän­gig für sei­ne ei­ge­ne Zah­lungs­fä­hig­keit und de­ren Er­hal­tung ein­zu­ste­hen ha­be. Es sei dem Mie­ter da­her grund­sätz­lich zu­mut­bar, in an­ge­mes­se­nem und zu­mut­ba­rem Um­fang Rück­la­gen zu bil­den, um Um­satz­ein­brü­che ent­spre­chend ab­fe­dern zu kön­nen. Kon­kret hielt das Ge­richt für zu­mut­bar, sol­che Rück­la­gen in Hö­he von 20% der Sum­me des EBIT­DA der letz­ten drei Jah­re zu bil­den und die­sen Be­trag an­lass­los bei Nach­fra­ge- bzw. Um­satz­rück­gän­gen ein­zu­set­zen. Nur dann sei ge­währ­leis­tet, dass un­ter­neh­me­ri­sches Ri­si­ko und un­ter­neh­me­ri­sche Vor­tei­le im Ver­hält­nis zur an­de­ren Ver­trags­par­tei an­ge­mes­sen be­rück­sich­tigt wer­den. Im kon­kre­ten Fall über­stie­gen die nach die­ser Maß­ga­be dem Mie­ter zu­mut­ba­ren Rück­la­gen die­sen 73%-igen An­teil der ge­schul­de­ten Mie­te, wes­halb ei­ne Kür­zung der Mie­te über § 313 BGB für die strei­ti­gen Mo­na­te letzt­lich nicht der Bil­lig­keit ent­sprä­che.

Dies galt im kon­kre­ten Fall um­so mehr, da die po­si­ti­ve Stand­ort­ent­wick­lung, wel­che bei Ver­trags­schluss vor un­ge­fähr 20 Jah­ren zu­nächst von den Par­tei­en nicht ab­zu­se­hen war, da­zu füh­re, dass die zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­te Mie­te deut­lich un­ter der heu­te orts­üb­li­chen Mie­te lie­ge.

Aus­blick

Das vor­lie­gen­de Ur­teil zeigt ein­drucks­voll, dass die Rechts­fol­gen bei An­wen­dung des § 313 BGB ei­ner Ein­zel­fall­be­trach­tung vor­be­hal­ten blei­ben. Wir ge­hen da­von aus, dass die oben er­läu­ter­ten Grund­sät­ze we­gen der Gleich­stel­lungs­re­gel in Art. 240 § 7 Abs. 2 EGBGB glei­cher­ma­ßen für Pacht­ver­trä­ge gel­ten. Trotz des Er­geb­nis­ses des neu­es­ten Ur­teils des Land­ge­richts Mün­chen ist we­gen der grund­sätz­lich be­für­wor­te­ten, so­li­da­ri­schen Tei­lung des Ver­wen­dungs­ri­si­kos im Fal­le ei­ner Stö­rung der Ge­schäfts­grund­la­ge nicht zu er­war­ten, dass in der über­wie­gen­den An­zahl der Fäl­le ei­ne An­pas­sung der Mie­te zu­guns­ten des Ho­tel­be­trei­bers gänz­lich aus­blei­ben wird. Hier­bei kön­nen je­doch zahl­rei­che Fak­to­ren ei­ne Rol­le spie­len. Letzt­lich bleibt da­her wei­ter­hin so­wohl für Ho­tel­be­trei­ber als auch für Ei­gen­tü­mer die er­stre­bens­wer­te­re Lö­sung, sich ein­ver­nehm­lich zu ei­ni­gen.

 

Verfasst von Marc P. Werner, and Dr. Angelika Tafelmaier.

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