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Viele Unternehmen setzen Fremdpersonal ein, um beispielsweise Auftragsspitzen abzudecken. Doch die Beschäftigung von freien Mitarbeitern (auch Freelancer genannt) ist mit zahlreichen Herausforderungen und Risiken verbunden. Wenn sich herausstellt, dass ein vermeintlicher Freelancer rechtlich gesehen Arbeitnehmer – also nur scheinselbstständig – ist, kann das für den Auftraggeber sozialversicherungs-, arbeits-, steuer- und strafrechtliche Folgen haben.
Die wichtigsten Punkte rund um das Thema Scheinselbstständigkeit haben wir nachstehend zusammengefasst.
Im Falle einer Scheinselbstständigkeit stehen dem vermeintlichen Freelancer sämtliche Rechte und Ansprüche zu, die das Gesetz für Arbeitnehmer vorsieht. Der vermeintliche Freelancer kann Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlangen, aber auch bezahlten Urlaub und die Vergütung von Überstunden – und das sogar rückwirkend für bis zu drei Jahre. Zusätzlich greift der gesetzliche Kündigungsschutz.
Umgekehrt läuft der Freelancer aber auch Gefahr, einen Teil seines bezogenen Honorars zurückzahlen zu müssen, vor allem wenn dies – wie üblich – deutlich höher ausfällt als die entsprechende Vergütung eines Arbeitnehmers.
Auch in sozialversicherungs- und lohnsteuerrechtlicher Hinsicht kann eine Scheinselbständigkeit erhebliche Konsequenzen haben. Da das Unternehmen für die Zeit der angeblichen freien Mitarbeit keine Sozialversicherungsbeiträge für den Mitarbeiter abgeführt hat, muss es diese für die vergangenen vier, bei Vorsatz sogar für die vergangenen 30 Jahre nachentrichten. Den Arbeitnehmeranteil am Sozialversicherungsbeitrag kann das Unternehmen nur in seltenen Fällen vom vermeintlichen Freelancer zurückfordern, sodass das Unternehmen in der Regel sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerbeiträge alleine nachzahlen muss. Die fälschlicherweise nicht gezahlte Lohnsteuer schulden dagegen beide Parteien – rückwirkend für bis zu zehn Jahre. Durch die falsche Einordnung des freien Mitarbeiters drohen Unternehmen auch hohe Bußgelder. Unternehmensvertreter können sich zudem persönlich strafbar machen.
Beide Seiten sollten schon vor Beginn des Einsatzes des Freelancers prüfen, ob dieser die gewünschten Leistungen überhaupt im Rahmen einer freien Mitarbeit erbringen kann. Häufig ist diese Prüfung nicht einfach. Es gibt jedoch einige Kriterien, die stets zu berücksichtigen sind und die die Einschätzung zumindest erleichtern.
Wichtig ist, dass ein Freelancer die Freiheit genießen muss, selbst zu entscheiden, wie, wann und wo er arbeitet. Er kann zwar verpflichtet werden, bestimmte Leistungen zu erbringen. Er ist aber selbst dafür verantwortlich, seine Arbeit zu organisieren und einzuteilen. Dies schließt eine Abstimmung zwischen dem Unternehmen und dem Freelancer hinsichtlich des Ablaufs der Tätigkeit aber nicht per se aus. Ein freier Journalist muss sich zum Beispiel an vereinbarte Abgabetermine halten. Wesentlich ist stets, dass der Freelancer nicht wie ein Arbeitnehmer feste Arbeitszeiten einzuhalten und Weisungen des Unternehmens in örtlicher und inhaltlicher Hinsicht zu befolgen hat.
Einem Freelancer steht es frei, Aufträge abzulehnen oder parallel für andere Auftraggeber tätig zu sein. In der Regel muss er die geschuldeten Leistungen auch nicht persönlich erbringen, sondern kann dafür eigene Mitarbeiter einsetzen – so eine Freiheit hat ein Arbeitnehmer nicht.
Von erheblicher Bedeutung ist außerdem, ob bzw. wie sehr der Mitarbeiter in die Betriebsorganisation eingebunden ist. Ein Freelancer muss deutlich von den Arbeitnehmern des Unternehmens zu unterscheiden sein. Wenn der Freelancer die Räume und Arbeitsmittel des Unternehmens (wie zum Beispiel Laptop oder sonstige Büroeinrichtung) nutzt, spricht dies gegen ein freies Dienstverhältnis. Die Verwendung von Briefpapier und E-Mail-Signatur des Auftraggebers spricht ebenso gegen ein freies Dienstverhältnis wie die Teilnahme an Betriebsfeiern und die Zahlung von Sonderleistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld.
Bei der Abgrenzung der selbstständigen Tätigkeit von einer abhängigen Beschäftigung ist jedoch stets die gesamte Vertragsabwicklung unter Einbeziehung der getroffenen Vereinbarungen und der tatsächlichen Handhabung zu begutachten. Mit anderen Worten: Es ist stets eine umfassende Würdigung des Sachverhalts vorzunehmen. Ob ein Mitarbeiter tatsächlich selbstständig ist, muss also immer im konkreten Fall geprüft werden. Dabei kommt es weniger darauf an, was die Parteien vertraglich vereinbart haben. Viel wichtiger ist, wie der Vertrag in der Praxis gelebt wird.
Zusammengefasst bedeutet das Folgendes:
Freelancer:
Auftraggeber sollten die Abgrenzungskriterien kennen und im Auge behalten. Vor jeder Beauftragung sollte geprüft werden, ob eine geplante freie Tätigkeit die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Wer regelmäßig Freelancer beschäftigt, sollte ein entsprechendes Compliance-System einrichten und unterhalten; dabei können Checklisten und unser Scheinselbstständigkeits-Check helfen.
Durch das Beantworten eines einfachen Online-Fragebogens lässt sich mithilfe des Scheinselbstständigkeits-Checks schnell und kostenfrei eine erste Risikoeinschätzung sowie die dazugehörige Dokumentation für eine etwaige Rentenkassen-Prüfung erstellen.
Bei Zweifelsfällen bietet sich eine rechtliche Beratung an. Wenn sich die Zweifel im Einzelfall nicht beseitigen lassen, ist es möglich, sich im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) Rechtssicherheit gegenüber allen Sozialversicherungsträgern zu verschaffen. So kann das Risiko einer Scheinselbstständigkeit verbindlich geprüft werden. Bei laufenden Beschäftigungsverhältnissen ist es nicht ratsam, ohne vorherige Expertenberatung eine Statusfeststellung bei Behörden zu beantragen, da dies zu hohen Nachzahlungen führen kann.
Verfasst von: Sabrina Gäbeler, Jessika Heinsch.