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Unter vermeintlich echten Bewerbern verbreitet sich eine neue Masche: Die mehrfache Abrechnung von Bewerbungskosten bei Arbeitgebern. Wir erläutern, wie die Masche genau funktioniert, ob und in welchem Umfang Bewerbungskosten vom Arbeitgeber zu erstatten sind und wie Arbeitgeber sich vor der neuen Masche schützen können.
Viele Arbeitgeber kennen bereits das leidige Thema der sogenannten AGG-Hopper. Dabei bewerben sich Personen bewusst auf eine ausgeschriebene Stelle, mit dem einzigen Ziel, eine (vermeintlich) diskriminierende Absage zu erhalten. Sie machen dann im Nachgang Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend.
Als wäre diese „Bewerbergruppe“ für Arbeitgeber nicht schon lästig genug, verbreitet sich nun eine neue Masche: Vermeintlich echte Bewerber nehmen an einem Tag an mehreren Bewerbungsgesprächen in einer Stadt teil, zu denen sie anreisen müssen. Sie rechnen gegen jeden Arbeitgeber die vollen Reisekosten ab. Da diese nur einmal angefallen sind, der Bewerber sich diese aber mehrfach erstatten lässt, macht er mit jeder weiteren Abrechnung Gewinn. Ein Bewerber, der beispielsweise fünf Bewerbungsgespräche an einem Tag wahrnimmt und Reisekosten von € 500,00 hatte, macht bei Abrechnung gegenüber allen fünf Arbeitgebern einen „Reingewinn“ von € 2.000,00.
Besonders lukrativ kann es für den Bewerber sein, wenn er behauptet, mit dem Auto angereist zu sein. Für die Anreise mit dem Auto muss nämlich kein Beleg vorgelegt werden, sondern die Fahrtkosten können auf Basis der steuerrechtlichen Fahrtkostenpauschale abgerechnet werden. Als Faustformel gilt daher in solchen Fällen: Je weiter der Wohnort von dem Ort des Bewerbungsgespräches entfernt ist, desto höher fällt der Gewinn aus.
Vor diesem Hintergrund gehen wir im Folgenden zum einen der Frage nach, wann und in welchem Umfang der Arbeitgeber Bewerbungskosten zu erstatten hat (Nr. 1). Zum anderen werden wir mögliche Optionen aufzeigen, wie Arbeitgeber eine Mehrfachabrechnung vermeiden können (Nr. 2).
Vorstellungs- bzw. Reisekosten, die der Bewerber den Umständen nach für erforderlich halten durfte, sind grundsätzlich vom Arbeitgeber zu erstatten. Hierunter fallen zum Beispiel Fahrt- und Übernachtungskosten. Voraussetzung für die Erstattungspflicht des Arbeitgebers ist allerdings, dass sich der Bewerber auf Verlangen des Arbeitgebers vorstellt. Für die Erstattungspflicht macht es keinen Unterschied, ob der Bewerber eingestellt oder abgelehnt wird.
Allerdings sind nicht alle Posten, die für eine Bewerbung anfallen, erstattungspflichtig. Grundsätzlich nicht zu erstatten sind allgemeine Bewerbungskosten, wie Kosten für Bewerbungsunterlagen und Porto. Dabei handelt es sich um sogenannte freiwillige Vermögensopfer. Sie werden im Vorfeld der Bewerbung aufgebracht, ohne dass bereits ein Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Bewerber besteht.
Anreisekosten des Bewerbers sind vom Arbeitgeber grundsätzlich zu erstatten. Darunter fallen die Kosten, die für die Fahrt vom Wohnsitz des Bewerbers bis zur Betriebsstätte (dem Vorstellungsort) anfallen. Es sind die realen Fahrtkosten zu ersetzen. Sollte der Bewerber mit dem Auto anreisen, lässt sich die Höhe der Fahrtkosten nach der steuerrechtlichen Fahrtkostenpauschale (§ 9 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 EStG) abrechnen. Unzulässig ist es allerdings, wenn der Bewerber mit der Bahn anreist und dann auf Basis der Fahrtkostenpauschale Erstattung verlangt. Bei der Anreise mit der Bahn sind grundsätzlich die Kosten für ein Bahnticket der zweiten Klasse zu erstatten. Sollte es sich allerdings um eine Bewerbung für eine Führungsposition handeln, sind wohl auch die Kosten für ein Bahnticket der ersten Klasse zu ersetzen. Auch Flugkosten können zu erstatten sein, wenn sie sich im Rahmen der Kosten eines Bahntickets zweiter Klasse bewegen. Teilweise wird in der Rechtsprechung aber vertreten, dass die Erstattung von Flugkosten in der Regel nur verlangt werden kann, wenn der Arbeitgeber vorher deren Übernahme zugesagt hat (so ArbG Hamburg, Urteil vom 02.11.1994 - 13 Ca 24/94).
Hotelkosten muss der Arbeitgeber erstatten, wenn eine Übernachtung für den Bewerber notwendig war. Das hängt davon ab, ob dem Bewerber eine An- und Abreise am Vorstellungstag zugemutet werden kann. Diese Zumutbarkeit ist in jedem Einzelfall zu bestimmen (Anhaltspunkte sind etwa: Entfernung des Wohnortes zur Betriebsstätte, Verkehrsanbindung, Uhrzeit des Bewerbungsgesprächs). Sofern der Arbeitgeber die Hotelkosten übernehmen muss, darf ein Bewerber ein Drei-Sterne-Hotel wählen. Die Kosten für ein hochwertigeres Hotel sind grundsätzlich nur zu ersetzen, wenn die ausgeschriebene Position das rechtfertigt oder der Arbeitgeber sich bereit erklärt hat, die Kosten zu übernehmen.
Ein Verdienstausfall ist dem Bewerber nur zu erstatten, wenn er keinen Erstattungsanspruch gegen seinen bisherigen Arbeitgeber hat und er den Verdienstausfall auch nicht durch zumutbares Alternativverhalten vermeiden hätte können. Beispiel: Hätte sich der Bewerber einen Tag Urlaub nehmen können oder verfügte er noch über Überstunden und hätte somit beim bisherigen Arbeitgeber „bezahlt freigestellt“ werden können, dann steht ihm kein Anspruch auf Erstattung des Verdienstausfalls gegen den potenziellen neuen Arbeitgeber zu.
Sofern der Arbeitgeber bestimmte weitere Unterlagen (zum Beispiel spezielle Zeugnisse, behördliche Genehmigungen, Führungszeugnisse) anfordert, sind die dafür entstandenen Kosten dem Bewerber zu ersetzen.
Dem Arbeitgeber steht es jedoch auch frei, die Kostenerstattung auszuschließen oder zu begrenzen. Er muss das jedoch ausdrücklich und unmissverständlich gegenüber dem Bewerber klarstellen.
Der Bewerber soll sich nicht durch die Wahrnehmung von mehreren Bewerbungsgesprächen und die mehrfache Abrechnung von lediglich einmalig angefallenen Vorstellungskosten bereichern. Für Arbeitgeber stellt sich daher die Frage, wie sie sich effektiv vor solchen Mehrfachabrechnungen schützen können.
Am besten schützen sich Arbeitgeber, wenn sie die Erstattung von Bewerbungskosten vollständig ausschließen. Eine Formulierung könnte beispielsweise wie folgt lauten:
„Ihre Kosten für die Vorstellung bei uns können wir Ihnen leider nicht erstatten. Daher schließen wir hiermit ausdrücklich sowohl die Erstattung von Kosten für die Anreise, potenziellen Verpflegungs- und Beherbergungskosten als auch eventuellem Verdienstausfall aus.“
Ein solcher Ausschluss der Kostenerstattung könnte allerdings potentielle Bewerber abschrecken, insbesondere wenn mit der Wahrnehmung des Vorstellungsgesprächs hohe Kosten für sie verbunden sind. Gerade in Anbetracht der für Arbeitgeber derzeit schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt muss daher abgewogen werden, ob man diesen Nachteil des Kostenausschlusses in Kauf nehmen möchte, um sich möglichst effektiv vor der Abrechnungsmasche zu schützen.
Anderweitig wird es für Arbeitgeber praktisch nicht zu kontrollieren sein, ob die Bewerber ihre Kosten mehrfach abrechnen. Eine Kommunikation unter den Arbeitgebern, bei denen sich der Bewerber vorgestellt hat, ist nicht pragmatisch und außerdem datenschutzrechtlich problematisch.
Eine gewisse Begrenzung kann dadurch erreicht werden, dass die Erstattung auf bestimmte Verkehrsmittel beschränkt wird und sich Arbeitgeber die Originalrechnungen aushändigen lassen. Allerdings lässt sich dadurch nicht ausschließen, dass der Bewerber die Rechnung als Kopie auch bei anderen Arbeitgebern einreicht. Außerdem werden viele Rechnungen nur noch digital ausgestellt, sodass es häufig nicht mehr die eine Originalrechnung gibt, die man herausverlangen kann.
Auch wäre es denkbar, eine so niedrige Höchstgrenze für die Kostenerstattung festzusetzen, dass es für Bewerber nicht lukrativ ist, beim Arbeitgeber ein Vorstellungsgespräch wahrzunehmen, nur um die (vermeintlichen) Kosten erstattet zu verlangen.
Die Erstattung von Bewerbungskosten birgt ein gewisses Missbrauchspotential, dem die Arbeitgeber nur bedingt begegnen können. Lediglich ein vollständiger Ausschluss der Kostenerstattung schützt effektiv davor, dass Bewerber die Vorstellungskosten beim Arbeitgeber (missbräuchlich) abrechnen. Ein solcher Ausschluss könnte allerdings potentielle Bewerber abschrecken, sodass mit Blick auf die derzeitige Situation am Arbeitsmarkt ein Kostenausschluss wohlüberlegt sein sollte.
Um als Arbeitgeber für die Abrechnungsmasche unattraktiv zu sein, kann eine niedrige Höchstgrenze für die Kostenübernahme möglicherweise helfen. Gleichzeitig würde auf diese Weise sichergestellt, dass potenzielle Bewerber ihre Reisekosten zumindest zum Teil, ggf. sogar vollständig erstattet bekommen. Gerade für Arbeitgeber, die ihre neuen Mitarbeiter erfahrungsgemäß im näheren Umfeld gewinnen, kann diese Lösung einen guten Kompromiss aus Leistung an den Bewerber und Schutz vor Missbrauch darstellen.
Verfasst von Dr. Fabian Ernst.