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Die Bundesregierung plant die Einführung eines Lieferkettengesetzes. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde am 3. März 2021 vom Kabinett beschlossen und soll noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden. Dies würde bedeuten, dass das Gesetz am 1. Januar 2023 in Kraft treten könnte.
Derzeit sind nur Unternehmen mit Sitz in Deutschland mit mehr als 1.000 Mitarbeitern von dem aktuellen Gesetzesentwurf betroffen:
Ab dem 1. Januar 2023 soll das Gesetz für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern gelten.
Für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern soll das Gesetz hingegen erst ab dem 1. Januar 2024 gelten.
Bis zum 30. Juni 2024 soll jedoch geprüft werden, ob das Gesetz auch für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern gelten soll.
Unternehmen, die von dem Gesetzentwurf betroffen sind, wären verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass auch ihre Zulieferer Umwelt- und Menschenrechte einhalten. Relevante Rechtsverletzungen wären insbesondere Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Verletzung der Vereinigungsfreiheit, Verletzung des Arbeitsschutzes, problematische Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen (Arbeitszeiten, Löhne, Urlaub etc.), Verletzung von Landrechten, Gesundheitsschäden und Boden- oder Luftverschmutzung.
Das Gesetz soll Unternehmen zur Durchführung und Dokumentation einer Risikoanalyse verpflichten, um Risiken in der unternehmerischen Lieferkette zu identifizieren. Es soll ein stufenweiser Verantwortungsmaßstab gelten:
Für den eigenen Geschäftsbetrieb und direkte Zulieferer müssen Unternehmen nach dem Gesetzesentwurf eine Risikoanalyse durchführen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Darüber hinaus müssten die Unternehmen ein internes Beschwerdeverfahren einrichten und eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte abgeben. Zum Nachweis der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten müssten die Unternehmen einen Risikobericht beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle einreichen und diesen zusätzlich auf der unternehmenseigenen Internetseite veröffentlichen.
Für mittelbare Zulieferer, bis hin zum Rohstofflieferanten, wäre eine Risikoanalyse nur dann erforderlich, wenn das deutsche Unternehmen Kenntnis von möglichen Verstößen erlangt. Ein mittelbarer Zulieferer ist gemäß dem Gesetzesentwurf jeder Zulieferer, der kein direkter Zulieferer ist und dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind.
Sobald Unternehmen Kenntnis von einer Menschenrechtsverletzung erlangen, müssen sie unverzüglich geeignete Abhilfemaßnahmen ergreifen. Solche Abhilfemaßnahmen können die Pflicht beinhalten, eine interne Untersuchung durchzuführen oder die Geschäftsbeziehung zu beenden.
Unternehmen sollen daneben einer Meldepflicht unterliegen: Die Unternehmen müssten dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle melden, ob Risiken in der Lieferkette festgestellt wurden. Wenn Unternehmen Risiken identifizieren, müssten sie darüber hinaus darlegen, wie sie Risiken in der Lieferkette analysieren, Präventionsmaßnahmen in die Geschäftspolitik einbeziehen und Abhilfemaßnahmen ergreifen und wie die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens von statten geht. Außerdem müssten sie Informationen über die von ihnen abgegebene Grundsatzerklärung zur Verfügung stellen.
Die Einführung eines neuen oder strengeren Konzepts der zivilrechtlichen Unternehmenshaftung ist nicht vorgesehen. Insoweit sollen weiterhin die bisherigen Haftungsregeln gelten. Allerdings müssten Unternehmen mit hohen Bußgeldern von 100.000 EUR bis zu 800.000 EUR rechnen. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen EUR müssten mit Bußgeldern von bis zu 2% ihres Jahresumsatzes rechnen.
Zusätzlich könnten Unternehmen, für die ein Bußgeld von mehr als 175.000 EUR verhängt wurde, für bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus sieht der Gesetzesentwurf vor, die Möglichkeit der Klageerhebung bei Vorliegen von Menschenrechtsverletzungen zu vereinfachen. Konkret sollen Personen, die sich auf Menschenrechtsverletzungen berufen, laut dem Gesetzesentwurf NGOs mit der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Rechte betrauen können.
Unternehmen können die Risiken von Bußgeldern (und somit auch den Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen) durch ein effektives Compliance System minimieren. Inhalt und Umfang des Compliance Systems sind abhängig vom jeweiligen Unternehmen und dessen Risikobereich. Die Maßnahmen sollen sicherstellen, dass auch Zulieferer Umwelt- und Menschenrechte einhalten.
In dem Gesetzesentwurf zum Lieferkettengesetz werden einige Maßnahmen explizit genannt (siehe dazu unter „Welche Bedeutung hätte das für betroffene Unternehmen?“). Bei deren Umsetzung sollten je nach Risikoprofil – ggf. ergänzend – auch folgende Maßnahmen in Betracht gezogen werden:
Code of Conduct für Lieferanten (beispielsweise als Präventionsmaßnahme);
Interne Compliance Richtlinie zum Thema Menschenrechte und Lieferkette sowie zum Einkauf;
Due Diligence Prüfung für individuelle Lieferanten;
Compliance Klauseln in Verträgen mit Lieferanten;
Whistleblowing Hotline für die Meldung von möglichen Menschenrechtsverletzungen im Unternehmen und in der Lieferkette;
Schulungen zur Zusammenarbeit mit Lieferanten und möglichen Risiken für Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette;
(Wettbewerbskonforme) Partnerschaften mit Wettbewerbern, um branchenspezifische Risiken von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette zu diskutieren;
Prozesse zur Reaktion und Abhilfe bei Rechts- und/oder Compliance-Verstößen.
Autoren Désirée Maier, Dorina Bruns, und Tanja Wömpner.