Hogan Lovells 2024 Election Impact and Congressional Outlook Report
15 November 2024
Trademark Insight. Mit diesem Format informieren wir Sie zukünftig in regelmäßigen Abständen über aktuelle markenrechtliche Entscheidungen deutscher Gerichte, des EUIPO sowie der Unionsgerichte. Es handelt sich dabei jeweils um eine rein subjektive Zusammenstellung von Entscheidungen, die aus unserer Sicht interessant und/oder relevant sind.
Liebe Leserinnen und Leser,
in dieser zweiten Ausgabe des TRADEMARK INSIGHT stellen wir Ihnen erneut eine breite Auswahl interessanter Entscheidungen vor. Sie lesen nachfolgend unsere Zusammenfassungen zu Entscheidungen des LG München I, des BPatG, der EUIPO-Beschwerdekammern und des EuG.
Wir wünschen Ihnen eine nützliche Lektüre und freuen uns über Ihr Feedback und Anregungen per E-Mail an [email protected].
Frohe Festtage und einen erholsamen Jahresausklang wünschen Ihnen
Thorsten Klinger und Dr. Andreas Renck
Das Unternehmen Oatly AB meldete im Jahr 2019 das Zeichen „It’s like milk but made for humans“ beim EUIPO als Unionswortmarke für diverse Waren u.a. in den Klassen 29, 30 und 32 an, darunter eine Vielzahl an Milchersatzprodukten und anderen Ersatzprodukten. Das EUIPO wies die Anmeldung hinsichtlich nahezu aller beanspruchter Waren der genannten Klassen wegen fehlender Unterscheidungskraft zurück.
Hiergegen legte die Anmelderin erfolglos Beschwerde beim EUIPO ein. Die Beschwerdekammer bestätigte, dass das Zeichen für die beanspruchten Waren lediglich anpreisenden Charakter habe. Es vermittle den Eindruck, dass die mit dem Zeichen ausgezeichneten Waren Milchersatzprodukte seien oder enthielten, die echter Milch hinsichtlich Konsistenz, Nährwerten und Einsatzmöglichkeiten glichen.
Hiergegen klagte die Anmelderin erfolgreich vor dem EuG, das die Entscheidung aufhob und zur erneuten Entscheidung zurückverwies. Die Konjunktion „but“ erwecke den Eindruck, dass Milch nicht für den menschlichen Konsum bestimmt sei und rege den Verkehr deshalb zum Nachdenken über die bisher als Selbstverständnis angenommene Vorstellung an, dass Milch zur Grundernährung gehöre. Durch den beim Verkehr ausgelösten Denkprozess sei das Zeichen sehr wohl unterscheidungskräftig.
Nachdem die Sache zwischenzeitlich wegen etwaiger weiterer absoluter Schutzhindernisse (Irreführung) sowie Verletzung wettbewerbsrechtlicher und lebensmittelrechtlicher Vorschriften zur Großen Beschwerdekammer und von dieser zurück an die zweite Beschwerdekammer verwiesen wurde, gab diese nun der Beschwerde statt, hob die ursprüngliche Amtsentscheidung auf und ließ die Eintragung des Zeichens für sämtliche beanspruchten Waren zu. Die Beschwerdekammer sei im Rahmen ihrer Entscheidung an den Beschluss des EuG gebunden. Nachdem dieses dem Zeichen ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft zugesprochen habe und nachdem auch die große Beschwerdekammer keine weiteren Eintragungshindernisse hat erkennen lassen, stehe der Eintragung des Zeichens für sämtliche beanspruchten Waren nichts mehr im Weg.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 7.9.2022, R 723/2021-2)
In der November-Ausgabe des Trademark Insight berichteten wir bereits über eine Entscheidung der Beschwerdekammer des EUIPO betreffend die Nichtigkeit einer Sperrmarken-Anmeldung wegen Bösgläubigkeit. In einem ähnlichen Fall bestätigte nun das EuG die Rechtsmissbräuchlichkeit der diesen Anmeldungen zugrundeliegenden Geschäftspraxis.
In ähnlicher Weise wie zuletzt in Sachen „ATHLET“ dargestellt, meldete der selbsternannte „Markenurheber“ Erich A. auch das Zeichen „MONSOON“ durch eines seiner Unternehmen beim EUIPO an, um daraus in der Folge vor dem LG Erfurt erfolgreich im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen die Benutzung der Zeichen „Hoofer Monsoon“, „Monsoon“ und „Pioneer Monsoon“ durch die Karsten Manufacturing Corp. vorzugehen. Im Hauptsacheverfahren hob das LG Erfurt diese Verfügungen mit der Begründung auf, dass das von Erich A. eingeleitete Verfahren rechtsmissbräuchlich sei.
Im Nachgang stellte die Karsten Manufacturing Corp. Beim EUIPO erfolgreich einen Nichtigkeitsantrag gegen die Unionswortmarke „MONSOON“, da das Anmeldeverhalten als bösgläubig einzustufen sei. Die hiergegen durch den Markeninhaber erhobene Beschwerde blieb erfolglos. Gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer klagte der Markeninhaber sodann vor dem EuG. Durch die Anmeldung sei weder eine Umgehung der Benutzungsschonfrist, noch eine Verletzung des Prioritätsprinzips bezweckt worden.
Das EuG wies die Klage als unbegründet ab. Eine ältere Marke entfalte entgegen dem Prioritätsprinzip dann keinen Schutz, wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke bösgläubig war. In solchen Fällen sei die Marke auf Antrag für nichtig zu erklären. Der gesetzlich nicht normierte Begriff der Bösgläubigkeit beschreibe ein Verhalten, das von den anerkannten Grundsätzen ethischen Verhaltens oder den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel abweicht. In diesem Zusammenhang sei insbesondere die Benutzungsabsicht zu prüfen. Fehle diese, indiziere dies einen Verhinderungszweck und kann für die Annahme einer Bösgläubigkeit sprechen. Zur Feststellung der Benutzungsabsicht seien alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Vorliegend seien der prioritätsbegründenden deutschen Anmeldung seit dem Jahr 2006 im halbjährlichen Wechsel deutsche und österreichische Markenanmeldungen für dasselbe Zeichen für weitgehend identische Waren durch die Markeninhaberin oder eine mit dieser verbundenen Gesellschaft vorausgegangen, deren Anmeldegebühr nie beglichen wurde. Die Vielzahl an Übertragungen und Namens- und Adressänderungen der Inhaberinnen der Marke dienten einzig der Verschleierung des Umstandes, dass sämtliche Vorgänge von einer einzigen Person, nämlich Erich A. ausgingen. Ein solches Verhalten stehe im Widerspruch zu den Zielen der Unionsmarkenverordnung. Es bezwecke lediglich die Schaffung einer Sperrposition und die Monopolisierung des Zeichens „MONSOON“ unter Umgehung des der Prioritätsübertragung dienenden Sechsmonatszeitraums und stelle eine rechtsmissbräuchliche Anmeldestrategie dar. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben ein vom Unionsmarkenrecht nicht vorgesehener Vorteil erwirkt wird.
(EuG, Urt. v. 7.9.2022, T-627/21)
Die Efflux GmbH meldete im Jahr 2020 das Zeichen „EFFLUX“ beim DPMA für Software, Softwareentwicklung, Software as a Service, IT-Dienstleistungen und Lizenzierung von Software in den Klassen 9, 42 und 45 an. Die Markenstelle wies die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurück. „EFFLUX“ sei ein bekannter Begriff aus der Biologie, mit dem der Ausstrom von Ionen oder Molekülen aus der Zelle durch die Zellmembran hindurch bezeichnet werde und der deshalb für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend sei. Da Software auch gedankliche Inhalte haben könne, könnte „EFFLUX“ als inhaltsbezogener Sachtitel verstanden werden. Gleiches gelte für die auf Software bezogenen Dienstleistungen, da dort, wo Angaben für (elektronische) Medien beschreibend seien, im Regelfall die zur Herstellung oder Veröffentlichung solcher Waren notwendigen Dienstleistungen ebenfalls einer Unterscheidungskraft entbehrten.
Hiergegen erhob die Anmelderin erfolgreich Beschwerde vor dem BPatG. Dem Zeichen „EFFLUX“ könne für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht jede Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Zwar bezeichne der an den lateinischen Substantiv „effluvium“ (Ausfluss) angelehnte Begriff den beschriebenen biologischen Vorgang. Allerdings werde der Fachverkehr das beanspruchte Zeichen nicht in einem solchen Sinne als inhaltsbezogenen Sachtitel verstehen. Zwar sei korrekt, dass Software vielfältige Inhalte aufweisen könne, allerdings komme „EFFLUX“ nicht ernsthaft als solche beschreibende Inhalts- oder Gegenstandsangabe in Betracht. Die Behandlung eines Themas in Form von Software unter Verwendung des Anmeldezeichens als Titel müsse naheliegend und branchenüblich sein. Dies setze eine gewisse Allgemeinheit des Titels im Sinne eines Oberbegriffes voraus. Weder das, noch der weiter notwendige unmittelbare und konkrete Sachbezug zwischen Sinngehalt des Zeichens und den Waren sei für die beteiligten Verkehrskreise gegeben.
(BPatG, 21.7.2022, 25 W (pat) 51/21)
Das Unternehmen Lotion LLC meldete im Jahr 2020 das Zeichen „BLACK IRISH“ beim EUIPO als Unionswortmarke für diverse Getränke der Klassen 30, 32 und 33 an. Die Anmeldung wurde vom Prüfer wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Hiergegen legte die Anmelderin erfolglos Beschwerde beim EUIPO ein. Die Beschwerdekammer bestätigte, dass das Gesamtzeichen für die englischsprachigen Verkehrskreise eine klare Bedeutung habe, die die Farbe und die geographische Herkunft bezeichne und in direkter Beziehung zu den beanspruchten Waren stehe. Hiergegen erhob die Anmelderin Klage vor dem EuG.
Das EuG wies die Klage als unbegründet zurück. Es handele sich bei dem Zeichen um eine simple Kombination zweier beschreibender Elemente, die keinen solchen Eindruck schaffe, der hinreichend weit von der bloßen Aneinanderreihung der beschreibenden Bestandteile wegführe. Da die beiden Bestandteile auf die geographische Herkunft und die (häufig eine Charakterisierungsfunktion einnehmende) Farbe der Getränke hinwiesen, besitze das Gesamtzeichen für sämtliche beanspruchte Waren ausschließlich beschreibenden Charakter. Mithin fehle es dem Zeichen auch an Unterscheidungskraft.
(EuG, Urt. v. 14.9.2022, T-498/21)
Die Shenzhen Bluelans Network Technology Co., Ltd. meldete 2020 das Zeichen „red temp“ als Unionswortmarke für diverse Kleidungsstücke der Klasse 25 an. Hiergegen erhob die Mirza International Limited Widerspruch wegen Verwechslungsgefahr mit ihrer prioritätsälteren Unionswortmarke „RED TAPE“, ebenfalls geschützt in Klasse 25 für Bekleidung. Die Widerspruchsabteilung wies den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr zurück. Der übereinstimmende Bestandteil „red“ besitze als bloße Farbangabe für Bekleidungsstücke eine begrenzte Kennzeichnungskraft. Bei den kennzeichnungsstärkeren Bestandteilen „temp“ und „TAPE“ würden aufgrund deren Eigenschaft als Kurzbegriffe Unterschiede vom Verkehr einfacher wahrgenommen. Es bestehe daher allenfalls eine geringe Ähnlichkeit und keine Verwechslungsgefahr.
Hiergegen legte die Widersprechende Beschwerde ein, die im Ergebnis erfolgreich war. Hinsichtlich des übereinstimmenden Wortbestandteils „red“ sei keineswegs von einer schwachen Kennzeichnungskraft auszugehen. Zwar könne eine im Zeichen enthaltene Farbangabe durchaus auf eine Eigenschaft der beanspruchten Waren hinweisen. Hierfür müsse das Gesamtzeichen aber auf ein Merkmal hinweisen, das objektiv ist, der Art der Ware innewohnt und für sie dauerhaft ist.
Die Widerspruchsabteilung habe zwar korrekt angenommen, dass die Farbe rot keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Art der fraglichen Waren aufweise, war dann allerdings unzutreffend weiter davon ausgegangen, dass für die Annahme einer begrenzten Unterscheidungskraft bereits die Möglichkeit ausreiche, dass die beanspruchten Waren diese Farbe enthalten könnten. Die Widerspruchsabteilung habe insofern eine vorherige EuG-Rechtsprechung zur Bedeutung von Wortbestandteilen mit Farbbezug (EuG, Urt. v. 25.6.2020, T-133/19) fehlerhaft angewandt und sei in ihrer Begründung inkohärent.
Dass die Farbbezeichnung einer der möglichen Farbvarianten entspricht, begründe nicht ihre Eigenschaft als beschreibende Angabe, sofern die Farbe nur einen rein zufälligen und beiläufigen Aspekt darstellt, den nur einige dieser Waren aufweisen können und der jedenfalls in keinem unmittelbaren und direkten Zusammenhang mit ihrer Beschaffenheit steht. Die Annahme, dass die Farbe von den maßgeblichen Verkehrskreisen tatsächlich als Beschreibung eines der Natur dieser Waren innewohnenden Merkmals erkannt werde, wenn die beanspruchten Waren teilweise auch in diesem Farbton angeboten werden, sei fernliegend.
So liege es auch im Falle des Wortbestandteils „red“, deren inhaltliche Aussage für die beanspruchten Waren ein zufälliger und nebensächlicher Aspekt sei. Mithin komme diesem Wortbestandteil eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Auf dieser Grundlage sei zwischen den Vergleichszeichen eine durchschnittliche Ähnlichkeit gegeben, die unter Berücksichtigung der Warenidentität zu einer Verwechslungsgefahr führe.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 14.9.2022, R 463/2022-1)
Die easyGroup Ltd. ist Inhaberin der Unionswortmarke „easyJet“, geschützt für eine Vielzahl an Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 8, 9, 12, 14, 16, 18, 25, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 38, 39, 41 und 43. Die Easy-Tutor GmbH stellte gegen diese Eintragung einen Verfallsantrag wegen Nichtbenutzung. Nach Sichtung der Benutzungsnachweise ordnete die Nichtigkeitsabteilung die weitestgehende Löschung der Marke an. Lediglich für eine begrenzte Auswahl an Transport-, Verkaufs- und Bewirtungsdienstleistungen der Klassen 35, 39 und 43 wurde eine rechtserhaltende Benutzung angenommen. Die berücksichtigten Dokumente überschnitten sich dabei in weiten Teilen mit solchen aus einem Parallelverfahren zu der Unionsmarke „Easyjet“.
Die Markeninhaberin legte gegen die Entscheidung Teilbeschwerde ein, nämlich hinsichtlich der Löschung von Zubereitungen aus Getreide, Brot, Gebäck und Süßwaren in Klasse 30. Die Beschwerdekammer habe im Parallelverfahren zu der Unionswortmarke „Easyjet“ auf Grundlage weitestgehend übereinstimmender Benutzungsnachweise eine rechtserhaltende Benutzung für zubereitete Mahlzeiten, Snacks und Knabberartikel anerkannt. Zwar erkenne die Markeninhaberin an, dass jede Entscheidung aufgrund der im konkreten Verfahren erbrachten Nachweise zu treffen sei, allerdings komme jener Entscheidung eine starke Indizwirkung zu, die zu berücksichtigen sei.
Die Beschwerdekammer gab der Beschwerde nun hinsichtlich Brot und Gebäck statt und wies sie im Übrigen zurück. Die eingebrachten Benutzungsnachweise zeigten eine umfassende Benutzung des Zeichens für verschiedene Backwaren. Unbeachtlich sei insofern, dass nahezu sämtliche Nachweise die Wortmarke in der unten dargestellten grafischen Ausgestaltung zeigten. Der kennzeichnende Charakter werde durch die konkrete Form der Ausgestaltung nicht verändert, da diese sich lediglich auf nicht-kennzeichnungskräftige Bestandteile wie die Farbgebung und die Schrifttype beziehe.
Die von der hier gegenständlichen Marke beanspruchten Brot- und Backwaren seien zu den im Parallelverfahren gegenständlichen Waren zwar nicht identisch, gehörten aber zu einer einzigen homogenen Gruppe und seien diesen deshalb im Wesentlichen ähnlich. Auch sei es der Markeninhaberin nicht zumutbar, Nachweis über eine ernsthafte Benutzung für alle denkbaren Varianten der von der Eintragung betroffenen Waren zu erbringen. Die bereits von der Nichtigkeitsabteilung angenommene Benutzung der Marke für verschiedene Backwaren könne mithin auch nicht sinnvoll von den Kategorien Brot und Backwaren unterschieden werden, sodass hierfür eine Benutzung anzuerkennen sei. Hinsichtlich der übrigen noch gegenständlichen Waren sei hingegen keine Benutzung festzustellen.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 15.9.2022, R 2076/2021-2)
Die Kaave GmbH meldete im Jahr 2019 das Zeichen „Kaave“ beim DPMA als Wortmarke für diverse Einzelhandels-Dienstleistungen der Klasse 35 an. Hiergegen legte die JULIÀ GRUP FURNITURE SOLUTIONS, S.L. Widerspruch wegen Verwechslungsgefahr mit ihrer unten dargestellten prioritätsälteren Unionsmarke „Kave Home“ und der prioritätsälteren Unionswortmarke „Kave“ ein, jeweils ebenfalls u.a. in Klasse 35 geschützt.
Gegen diese Widerspruchsmarken stellte die Anmelderin daraufhin einen Löschungsantrag wegen älterer Rechte, basierend auf ihrem Unternehmenskennzeichen „Kaave“ und dem Domainnamen „kaave.de“. Sodann beantragte sie beim DPMA die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Erklärung der Nichtigkeit der Widerspruchsmarken. Die Markenstelle wies diesen Antrag ohne Nennung von Gründen zurück, wogegen die Anmelderin Beschwerde einlegte. Durch das Fehlen der Begründung sei der angegriffenen Entscheidung keine Ermessensausübung zu enznehmen. In der Sache sei der Aussetzungsantrag begründet gewesen, da eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestanden habe, dass die Widerspruchsmarken wegen der älteren Rechte der Anmelderin gelöscht werden. Im Falle einer erfolgreichen Löschung könne die Widersprechende keine älteren Rechte mehr gegen die Markenanmeldung geltend machen, sodass das Interesse der Anmelderin an der Aussetzung des Widerspruchsverfahrens das Interesse der Widersprechenden an einer zügigen Entscheidung überwiege.
Das BPatG wies die Beschwerde als unzulässig zurück. Das EUIPO habe die Löschungsanträge der Anmelderin in der Zwischenzeit rechtskräftig zurückgewiesen, da für die geltend gemachten älteren Rechte der Anmelderin keine mehr als lediglich örtliche Bedeutung habe nachgewiesen werden können. Damit sei das Rechtsschutzbedürfnis der Anmelderin nach der Einlegung der Beschwerde entfallen, da das Widerspruchsverfahren nicht mehr bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeit der Widerspruchsmarken ausgesetzt werden und das Beschwerdeziel nicht mehr erreicht werden könne.
Allerdings sei der Anmelderin aufgrund eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers des DPMA die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. Einerseits sei aus dem Schreiben der Markenstelle tatsächlich nicht ersichtlich, auf welche Gründe sich die Zurückweisung des Aussetzungsantrages gestützt habe und insbesondere auch nicht, ob das dem DPMA zustehende Ermessen überhaupt ausgeübt worden sei. Dabei komme eine Aussetzung insbesondere dann in Betracht, wenn ein Nichtigkeitsverfahren gegen die Widerspruchsmarken anhängig ist. Zwar nennt die Vorschrift des § 32 Abs. 2 MarkenV lediglich Verfahren vor dem DPMA, allerdings sei dies wertungsmäßig auch auf Verfahren vor dem EUIPO auszuweiten. Die unterbliebene Gelegenheit zur Stellungnahme und das damit fehlende rechtliche Gehör stelle einen weiteren wesentlichen Verfahrensmangel dar, der eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr notwendig macht.
(BPatG, Beschl. v. 20.6.2022, 25 W (pat) 501/21)
Die Magic Zero GmbH meldete im Jahr 2019 das Zeichen „Magic Zero“ beim DPMA als Wortmarke für Waren der Klassen 29 und 30 an, darunter Bouillon, Kraftbrühe und verschiedene Gewürze. Hiergegen erhob die Raps GmbH & Co. Widerspruch wegen Verwechslungsgefahr mit ihrer prioritätsälteren Wortmarke „MAGIC“, geschützt u.a. für Gewürze sowie Salz und daraus hergestellte Erzeugnisse für Nahrungsmittel.
Das DPMA wies den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr vollumfänglich zurück. Die von Haus aus kennzeichnungsschwache Widerspruchsmarke verfüge aufgrund umfangreicher Benutzung über eine insgesamt durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Dennoch halte die Anmeldemarke einen hinreichenden Zeichenabstand zur Widerspruchsmarke. Zwar würde der Verbraucher den Wortbestandteil „Zero“ im Sinne von „ohne“ Zusatz von Zucker, Konservierungsstoffen, Glutamat o.ä. verstehen, dies bedeute allerdings nicht, dass sich der Verkehr ausschließlich an dem übereinstimmenden Bestandteil „Magic“ orientiere. Da beide in Bezug auf die beanspruchten Waren einen beschreibenden Charakter besäßen, stünden sie vielmehr gleichwertig nebeneinander. Vor diesem Hintergrund stelle der zusätzliche Bestandteil „Zero“ in der Anmeldemarke einen hinreichend deutlichen Unterschied dar.
Hiergegen legte die Widersprechende Beschwerde ein, der das BPatG teilweise stattgab. Zwar liege aufgrund hinreichend deutlicher Unterschiede der beiden Zeichen durch den zusätzlichen Bestandteil „Zero“ keine unmittelbare Verwechslungsgefahr vor. Eine solche wäre lediglich im Falle einer Prägung des Gesamtzeichens durch den Bestandteil „Magic“ anzunehmen. Eine Prägung scheide vorliegend allerdings aufgrund vielfacher Benutzung, Sachbezug und originärer Kennzeichnungsschwäche des Bestandteils „Magic“ aus.
Hinsichtlich der identischen und hochgradig ähnlichen Waren des Segments Würzmittel [Marinaden] liege allerdings eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vor. Es sei im einschlägigen Lebensmittelbereich üblich, vorhandene Sortimente durch neue Produktlinien zu ergänzen, für die die vorherige Marke mit einem Zusatz versehen werde. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass der Verkehr auch den Zeichenbestandteil „zero“ als einen solchen Zusatz verstehe, der auf das Fehlen sonst üblicher Zutaten der Sortimentreihe hinweise. Dies gelte allerdings bloß im Umfang der identischen bzw. hochgradig ähnlichen Waren.
(BPatG, Beschl. v. 14.7.2022, 25 W (pat) 37/21)
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen - DGNB e.V. meldete das unten dargestellte Zeichen als Unionsbildmarke für Dienstleistungen der Klassen 35, 37, 41 und 42 an, darunter Werbung, Bauwesen, Bildung sowie Authentifizierung und Qualitätskontrolle. Das Amt wies die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurück.
Die Beschwerde der Anmelderin blieb erfolglos. Das Anmeldezeichen bestehe aus einer einfachen geometrischen Figur und könne keine Aussage vermitteln, an die sich die Verbraucher erinnern könnten und sei deshalb nicht im Stande, als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen. Das Zeichen sei in seinem Gesamteindruck weder ungewöhnlich, noch weise es ein charakteristisches oder auffälliges Merkmal auf.
Weiter sei auch eine pauschale Begründung für die Zurückweisung aller Dienstleistungen zulässig gewesen, da dasselbe Eintragungshindernis sämtlichen einer Kategorie zuordbaren Dienstleistungen entgegenstehe. Aufgrund der Tatsache, dass die Anmelderin die „Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ ist, sei davon auszugehen, dass die Dienstleistungen der Klasse 37 und insbesondere Bauwesen sowie Beratung und Information zu diesem Thema die Hauptaktivität der Anmelderin darstellten. Es bilde sich durch diesen direkten und konkreten Zusammenhang aller Dienstleistungen eine hinreichend homogene Gruppe, die die erfolgte pauschale Zurückweisungsbegründung rechtfertige.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 21.9.2022, R 338/2022-2)
Die Augsburger Brauerei S. Riegele ist u.a. Inhaberin zweier deutscher Wortmarken „Spezi“ aus den Jahren 1955, geschützt für Bier in Klasse 32 und 1994, u.a. geschützt für Cola-Mischgetränke in Klasse 32. Aufgrund vorangehender Auseinandersetzungen über die Berechtigung zur Benutzung der Bezeichnung „Spezi“ durch die Paulaner-Salvator Thomasbräu, schlossen die Parteien im Jahr 1974 eine Vereinbarung, die es der Paulaner-Salvator Thomasbräu zum Preis von einmalig 10.000 Mark „für immer“ gestatten sollte, ein eigenes Cola-Orange-Mischgetränk herzustellen und unter der Marke „Spezi“ zu vertreiben. Im Mai 2021 erklärte Riegele dem heutigen Unternehmen Paulaner die Kündigung dieser Vereinbarung. Paulaner erhob daraufhin Klage gerichtet auf die Feststellung, dass die Kündigung nicht rechtswirksam sei. Riegele erhob Widerklage, mit der sie Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend machte. Im Kern ging es bei der Auseinandersetzung um die Frage, worum es sich bei der Vereinbarung von 1974 handelte, ob diese kündbar war und ob Paulaner in der Konsequenz seine Mischgetränke weiter unter der Marke „Spezi“ vertreiben darf.
Die Brauerei Paulaner machte geltend, dass es sich bei der Vereinbarung um eine Abgrenzungsvereinbarung gehandelt habe, die als solche nicht kündbar sei. Dies verdeutliche der Umstand, dass eine einmalige Abstandszahlung geleistet worden sei. Überdies sei „Spezi“ mittlerweile eine Gattungsbezeichnung für Cola-Limo-Mischgetränke geworden.
Riegele hingegen erkennt in der Vereinbarung einen kündbaren Lizenzvertrag und begehrt den Abschluss eines neuen Lizenzvertrages zu neuen Konditionen. Unter Berücksichtigung der von Paulaner produzierten Absatzmenge und unter Zugrundelegung der in anderen Verträgen vereinbarten Lizenzgebühren würde dies jährliche Lizenzkosten in Höhe von fünf Millionen Euro für Paulaner bedeuten. Weiter machte Riegele geltend, dass sich die heutige Paulaner Brauerei Gruppe ohnehin nicht auf diese Vereinbarung berufen könne, da sie keinen Vertrag geschlossen hätten und sich die Paulaner Brauerei Gruppe aufgrund diverser Umstände nicht als Rechtsnachfolgerin der Paulaner-Salvator-Thomasbräu auf die damals mit dieser geschlossenen Vereinbarungen berufen könne.
Das Gericht entschied nun, dass die Paulaner Brauerei Gruppe Rechtsnachfolgerin des damaligen Kontrahenten sei und die im Jahr 1974 geschlossene Vereinbarung fortbestehe. Es handele sich dabei nicht um einen Lizenzvertrag, sondern eine Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung. Die Abänderung der Überschrift des Dokuments von „Lizenzvertrag“ hin zu „Vereinbarung“ noch vor Vertragsschluss sei hierfür neben weiteren Begleitumständen ein wesentliches Indiz. Die damalige Vereinbarung habe eine endgültige Beilegung der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten bezweckt. Paulaner habe in der Folgezeit erhebliche Investitionen in den Markenaufbau geleistet und dabei auf die Einigung in dem vorherigen Konflikt vertraut.
Im Unterschied zu Lizenzvereinbarungen seien Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen – auch wegen der durch Verlängerung potentiell unbegrenzten Schutzdauer – gerade nicht ordentlich kündbar. Es gebe deshalb berechtigte Gründe, auch die Benutzungsrechte verwechslungsfähiger Zeichen auf Dauer abgrenzen zu wollen. Das vertragstreue Verhalten von Paulaner habe der Markeninhaberin schließlich kein außerordentliches Kündigungsrecht gegeben, sodass Paulaner seine Produkte weiter als „PAULANER Spezi“ bezeichnen dürfe. Dass Riegele den Vertragsschluss nun bereue und am wirtschaftlichen Erfolg des Absatzes von „Spezi“-Produkten durch Paulaner gerne teilhaben würde, ergebe nichts anderes. Ob es sich bei zwischenzeitlich bei „Spezi“ um eine Gattungsbezeichnung handele, sei demnach unerheblich.
Die Widerklage der Brauerei S. Riegele blieb folglich erfolglos, der Fortbestand der Vereinbarung stehe den geltend gemachten Ansprüchen entgegen.
(LG München I, Urt. v. 10.11.2022, 33 O 10784/21)
Ein deutscher Unternehmer meldete im Jahr 2018 das Zeichen „Belagio“ beim DPMA als Wortmarke für diverse Dienstleistungen der Klassen 36, 37, 43 und 44 an, darunter Immobilienwesen, Bauwesen und Dienstleistungen von Alten- und Seniorenheimen. Nach Beanstandung durch das Amt konkretisierte die Anmelderin das Dienstleistungsverzeichnis hinsichtlich der Klassen 36 und 43 und beschränkte es hinsichtlich der Dienstleistungen in Klasse 36 auf im Inland gelegene Immobilien.
Die Anmeldung wurde daraufhin vom DPMA wegen Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen, wogegen die Anmelderin Erinnerung einlegte und nunmehr um Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses auf die Klassen 36 und 37 bat, wobei Dienstleistungen in Bezug auf Hotels und Casinos durch erneute Beschränkung explizit aus Klasse 36 ausgenommen wurden. Das Amt wies die Erinnerung zurück, da der Begriff „Belagio“ als Hinweis auf im Ort Bellagio am Comer See angebotene Dienstleistungen verstanden werde. Den maßgeblichen Verkehrskreise sei dieser Ortsname ohne weiteres bekannt. Auch sei nicht ausgeschlossen, dass die beanspruchten Dienstleistungen an diesem Ort erbracht würden. Irrelevant sei, ob der Verkehr bei dem Zeichen „Belagio“ überwiegend an das Casino-Hotel Bellagio in Las Vegas denke.
Gegen die Zurückweisung der Erinnerung legte die Anmelderin Beschwerde ein, in der sie die Eintragung der Markenanmeldung in allen vier zunächst beanspruchten Klassen begehrt. Eine Internetsuche weise in erster Linie auf das Casino hin. Es sei nicht von einer größeren Bekanntheit des Ortes Bellagio beim deutschen Verkehr auszugehen. Überdies reiche die bloße Kenntnis über die Existenz eines solchen Ortes nicht aus; vielmehr müsse der Verkehr auch wissen, wo dieser liege und was dort angesiedelt sei. Auch führe die von ihr vorgenommene Beschränkung der Dienstleistungen auf im Inland gelegene Immobilien dazu, dass der Verkehr keine Verbindung zu einem italienischen Ort herstelle.
Das BPatG wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Der Prüfung seien ausschließlich die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 36 und 37 zugrunde zu legen, da das Verzeichnis von der Anmelderin wirksam auf diese Klassen beschränkt worden sei. Die Beschränkung auf im Inland gelegene Immobilien sei zulässig, da es sich dabei um eine sachgerechte Einschränkung handle, die allgemeine und objektive Eigenschaften in einer wirtschaftlich nachvollziehbaren und damit rechtlich abgrenzbaren Weise betreffe. Anders liege dies bei der ebenfalls vorgenommenen Ausklammerung einiger Dienstleistungen in Bezug auf Hotels und Casinos, da keine wirtschaftliche Gebotenheit erkennbar sei, aufgrund derer Immobilien- und Baudienstleistungen nicht auch Hotels oder Casinos erfassten.
Allerdings sei das Zeichen hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 36 im Stande, den Verkehr über dessen Eigenschaften zu täuschen. Das Zeichen eigne sich als geografischer Hinweis auf die konkrete geografische Lage einer Immobilie und werde vom Fachverkehr auch als solcher verstanden. Durch die Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses werde der Bezug zum Ausland ausgeschlossen, was dazu führe, dass kein Fall einer nicht täuschenden Verwendung denkbar sei.
In Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 37 stelle das Zeichen eine geografische Angabe dar, der es an jeglicher Unterscheidungskraft fehle. Als mögliche Angabe des Ortes, an dem die genannten Dienstleistungen erbracht werden, könne das Zeichen keine betriebliche Herkunftsfunktion erfüllen.
(BPatG, Beschl. v. 19.8.2022, 25 W (pat) 42/21)
Die Health and Happiness (H&H) Hong Kong Ltd. ist Inhaberin der unten dargestellten Unionsmarke „Swisse“, geschützt in Klasse 5. Gegen diese Marke stellte das Unternehmen Giuliani SpA im Jahr 2018 einen Nichtigkeitsantrag u.a. wegen fehlender Unterscheidungskraft und Täuschungseignung über die geografische Herkunft. Die Nichtigkeitsabteilung erklärte die Marke daraufhin aufgrund fehlender Unterscheidungskraft für nichtig, ohne sich den weiteren Gründen zu widmen. Die Markeninhaberin legte hiergegen erfolglos Beschwerde ein. Auch die Beschwerdekammer erkannte in dem Zeichen keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern einen beschreibenden Hinweis auf die geografische Herkunft.
Die Markeninhaberin klagte sodann gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer. Sie machte geltend, dass die Löschungsantragstellerin in dem Formular andere Nichtigkeitsgründe angegeben habe, als in der ausführlichen Begründung, in der sie lediglich Irreführung, Bösgläubigkeit und unlautere Ausnutzung eines Staatennamens anführte. Es fehle daher hinsichtlich des Nichtigkeitsgrundes der fehlenden Unterscheidungskraft an einer Begründung durch die Antragstellerin. Das EUIPO hätte sich deshalb nicht mit der fehlenden Unterscheidungskraft befassen dürfen. Sie dürften ihre Entscheidungen vielmehr ausschließlich auf Grundlage der von der Antragstellerin vorgebrachten Argumente treffen.
Die Klage war erfolgreich. Die Antragstellerin habe zwar den Nichtigkeitsgrund fehlender Unterscheidungskraft in dem Drop-Down-Menü des Online Formulars ausgewählt, hierfür allerdings keine Begründung eingereicht. Vielmehr sei die Antragstellerin lediglich auf die weiteren drei Nichtigkeitsgründe eingegangen. Auch seien aus den Ausführungen zu den anderen Gründen keine Rückschlüsse auf die fehlende Unterscheidungskraft zu ziehen. Zwar bestehe durchaus ein gewisser Grad an Überschneidungen zwischen den einzelnen Nichtigkeitsgründen. Dies gelte auch für die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Unterscheidungskraft und dem der Täuschungseignung. Gleichwohl sei jeder Nichtigkeitsgrund separat und unabhängig zu prüfen. Abhängig vom jeweiligen Grund müsse auch ein jeweils anderes öffentliches Interesse zugrunde gelegt werden. Die Entscheidung der Beschwerdekammer sei mithin rechtsfehlerhaft ergangen, indem angenommen wurde, dass eine Täuschungseignung auch eine fehlende Unterscheidungskraft zur Folge habe.
Um herauszufinden, auf welche Nichtigkeitsgründe ein Nichtigkeitsantrag gestützt werde, sei nicht lediglich auf die Angaben im Online Formular und die dortige Auswahl aus dem Drop-Down-Menü abzustellen. Vielmehr habe eine Gesamtschau aller Antragsumstände zu erfolgen, wobei der Antragsbegründung ein besonderes Gewicht zukomme.
Vorliegend seien die Menü-Auswahl und der Begründungsinhalt widersprüchlich. Weiter schreibe Artikel 63 Abs. 2 UMV vor, dass ein Nichtigkeitsantrag schriftlich begründet eingereicht werden müsse. Geschehe dies nicht, sei der Antrag als unbegründet zurückzuweisen. Dies gelte auch deshalb, weil die Markeninhaberin ansonsten keine Gelegenheit habe, den Ausführungen zur fehlenden Unterscheidungskraft eigene Argumente entgegenzuhalten, die womöglich zu einer anderen Würdigung führen könnten. Gegenteiliges führte dazu, dass Antragsteller jeden Nichtigkeitsgrund auswählen und sich in der Begründung auf generelle Erwägungen beschränken könnten. Eine sich daran anschließende detaillierte ex-officio Prüfung sämtlicher Nichtigkeitsgründe durch das EUIPO würde eine vom Verordnungsgeber ungewollte Situation schaffen, nämlich dass im Nichtigkeitsverfahren erneut das im Rahmen des Anmeldeverfahrens durchzuführende Prüfverfahren erfolge. Die angefochtene Entscheidung sei daher aufzuheben.
(EuG, Urt. v. 19.10.2022, T-486/20)
Eine deutsche Privatperson meldete im Jahr 2019 das unten links dargestellte Zeichen „livevil“ beim DPMA als Wort-/ Bildmarke in den Klassen 25, 35 und 41 an. Nach Beanstandung wegen Täuschungsgefahr durch das enthaltene ®-Symbol reichte die Anmelderin die unten abgebildete Darstellung ohne das ®-Symbol ein und bat darum, die Anmeldung entsprechend zu korrigieren.
Die Markenstelle des DPMA wies die Anmeldung in der Folge wegen Vorliegens einer Täuschungsgefahr zurück. Das ursprünglich angemeldete Zeichen enthalte durch das ®-Symbol (siehe Detailansicht unten rechts) einen Schutzrechtshinweis, der fälschlicherweise suggeriere, dass der mit diesem Symbol versehene Zeichenbestandteil „livevil“ zugunsten der Anmelderin als Marke eingetragen sei. Dies sei nach derzeitiger Registerlage, auf die im Rahmen der Prüfung der Eintragungsfähigkeit abzustellen sei, nicht der Fall. Aus dem Grundsatz der Unveränderlichkeit der Anmeldung im laufenden Verfahren folge weiter, dass die eingereichte Markendarstellung ohne ®-Symbol keine Berücksichtigung finden dürfe.
Hiergegen legte die Anmelderin Beschwerde ein. Das in der Anmeldung beanspruchte Zeichen sei versehentlich mit dem ®-Symbol versehen worden – die spätere Einreichung ohne ®-Symbol habe lediglich der Korrektur gedient. Eine Zeichenbenutzung sei bislang nicht erfolgt und bis zur abgeschlossenen Anmeldung auch nicht beabsichtigt. In einem vorherigen Anmeldeverfahren sei die dortige Marke mit ®-Symbol eingetragen worden.
Das BPatG wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Wie die Markenstelle korrekt erkannt habe, stehe der Eintragung des Zeichens eine Täuschungsgefahr entgegen. Das ®-Symbol werde vom Verkehr als Hinweis auf eine eingetragene Marke verstanden. Es sei hier eindeutig dem Wortbestandteil „livevil“ des Zeichens und gerade nicht dem Gesamtzeichen zugeordnet, zu dem auch die quadratische, rote Fläche gehöre. Es werde so der Eindruck erweckt, dass der Wortbestandteil des Zeichens in der konkreten Ausgestaltung bereits Schutz genieße. Nach der Rechtsprechung des BGH bestehe dann eine Täuschungseignung, wenn das Zeichen das ®-Symbol enthalte und dieses einem solchen Bestandteil der Marke zugeordnet ist, der für sich genommen (im Zeitpunkt der Anmeldung) keinen markenrechtlichen Schutz besitzt. So liege es auch hier.
Der den falschen Eindruck erweckende Anmelder bezwecke und verspreche sich offenkundig einen Vorteil gegenüber Abnehmern und Wettbewerbern. Eine derartig unwahre Werbeangabe sei zu unterbinden. Dass es sich bei der Einreichung der Version mit ®-Symbol um ein Versehen gehandelt habe, lasse dies unberührt, da weder die Anmeldeintentionen berücksichtigt werden, noch eine Täuschungsabsicht erforderlich sei. Das Zeichen stelle ab dem Moment der Anmeldung eine unveränderliche und unteilbare Einheit dar; der Schutz des Zeichens ohne ®-Symbol könne nur durch eine Neuanmeldung erreicht werden. Die frühere, ebenfalls ein ®-Symbol enthaltende aber erfolgreiche Anmeldung unterscheide sich insofern von der vorliegenden, als dass sich das das dort enthaltene ®-Symbol ersichtlich auf das Gesamtzeichen beziehe. Dies sei in dem früheren Anmeldeverfahren auf Nachfrage des Anmelders auch ausdrücklich so von der Prüferin ausgeführt worden.
(BPatG, Beschl. v. 14.9.2022, 29 W (pat) 559/19)
Die Klädarkivet Holding AB meldete im Jahr 2020 das unten links dargestellte Zeichen „A“ beim EUIPO für Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 35 und 45 an, darunter Bekleidung, Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidung und Verkaufsberatung bezüglich Bekleidung. Hiergegen erhob die Alvaro Moreno SLU Widerspruch wegen Verwechslungsgefahr u.a. mit ihrer unten rechts dargestellten, prioritätsälteren Marke „A“, ebenfalls u.a. geschützt in Klassen 25 und 35. Die Widersprechende machte überdies Rufausbeutung geltend. Die Widerspruchsabteilung gab dem Widerspruch für sämtliche Waren und Dienstleistungen außer für Online-Dienste zur sozialen Vernetzung aufgrund von Verwechslungsgefahr statt. Eine für die Rufausbeutung notwendige Bekanntheit der Widerspruchsmarke sei nicht nachgewiesen.
Hiergegen legte die Anmelderin erfolglos Beschwerde ein. Aus Sicht der Beschwerdekammer besteht vorliegend Verwechslungsgefahr. Die Waren und Dienstleistungen seien mit Ausnahme von Online-Diensten zur sozialen Vernetzung ähnlich bis identisch. In keinem der Zeichen gebe es ein dominierendes Element. Aufgrund der kurzen Zeichenlänge erfasse der Verkehr das Zeichen als Ganzes. Im Zeichenvergleich stimmten beide Zeichen in der Widergabe des Buchstabens „A“ überein, wobei diesen jeweils eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme, da sie in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Bedeutung besäßen.
Dies bleibe insbesondere von dem Umstand unberührt, dass die Zeichen als Abkürzungen von „Arkivet“ oder „Alvaro“ aufgefasst werden könnte. Die Zeichen unterschieden sich lediglich in den weiteren, die Buchstaben umgebenden grafischen Elementen (schwarz-weißer Zackenring bzw. blaues Schild). Bildlich bestehe eine durchschnittliche Ähnlichkeit. Klanglich seien die Zeichen identisch. Entgegen der Widerspruchsabteilung und in Übereinstimmung mit jüngster Entscheidungspraxis seien bloße Ein-Buchstaben-Marken nicht bereits aufgrund des einen übereinstimmenden Buchstabens in der Lage, eine begriffliche Identität herbeizuführen, sofern dieser Buchstabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Bedeutung habe. So liege es auch hier, sodass kein begrifflicher Zeichenvergleich möglich sei.
Insgesamt bestehe zwischen den Zeichen eine Verwechslungsgefahr für die identischen und ähnlichen Waren und Dienstleistungen.
(EUIPO BoA, Entsch. v. 3.10.2022, R 658/2022-1)
Die Katjes Fassin GmbH.+Co. Kommanditgesellschaft meldete im Jahr 2019 das Zeichen „LOVE AND CARE MIX“ beim DPMA als Wortmarke für Waren der Klassen 5, 30 und 32 an, darunter Nahrungsergänzungsmittel, Aromastoffe und diverse Lebensmittel. Die Anmeldung wurde wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Auch die hiergegen eingelegte Erinnerung war nicht erfolgreich. Das Zeichen werde vom Verkehr als anpreisender Hinweis darauf verstanden, dass die Mischungen mit Liebe und Sorgfalt zusammengestellt seien und/oder der Verzehr dieser Produkte den Konsumenten ein Gefühl der Liebe und Fürsorge vermittele, sodass ihm in Kombination mit den beanspruchten Waren eine herkunftsneutrale werblich-anpreisende Sachaussage zukomme.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die Entscheidung sei mit der jüngsten BGH-Rechtsprechung unvereinbar, nach der sämtliche wahrscheinliche Verwendungsarten bei der Prüfung der Unterscheidungskraft zu berücksichtigen seien und nicht bloße Vermutungen zur möglichen Waren- und Kennzeichenverwendung.
Das BPatG gab der Beschwerde (nach erfolgter Rücknahme der Anmeldung für Waren der Klasse 5) vollumfänglich statt. Für die noch beschwerdegegenständlichen Waren weise das Zeichen „LOVE AND CARE MIX“ die erforderliche Unterscheidungskraft auf. Das Zeichen vermittele insgesamt die Bedeutung „Mischung aus Liebe und Pflege“. Der von der Markenstelle zugrunde gelegte Sinngehalt gehe allerdings über diesen unmittelbar aus dem Zeichen zu entnehmenden Sinngehalt deutlich hinaus. Der Wortbestandteil „MIX“ diene durch Kombination mit weiteren Begriffen dem Zweck, die besonderen Eigenschaften der Mischung zu erläutern. Ohne weitere Angaben bezögen sich diese Eigenschaften auf die Mischung selbst und nicht auf die Art und Weise der Herstellung, den Grad der Beliebtheit oder die Auswirkungen auf Kunden.
Weiter dienten die gegenständlichen Lebensmittel nicht der Pflege oder Fürsorge, sondern der Ernährung, sodass der Zeichenbestandteil „CARE“ für sie keinen sachlichen Bezug aufweise. Obwohl die beanspruchten Waren grundsätzlich auch kranken oder pflegebedürftigen Personen gereicht werden könnten, sei nicht absehbar, dass der vorrangige Einsatzzweck die Pflege, Sorge oder Heilung sei. Darüber hinaus führe die Kombination aller Wortbestandteile zu einer weiteren sachlichen Entfernung des Gesamtsinngehalts von den gegenständlichen Waren. Auf die von der Markenstelle angestellten Interpretationsvarianten könne nicht abgestellt werden, da sie weitere gedankliche Zwischenschritte erforderten.
(BPatG, Beschl. v. 19.8.2022, 25 W (pat) 71/21)
Disclaimer: Bitte beachten Sie, dass es sich bei den in diesem Newsletter aufgenommenen Entscheidungen um eine von den Autoren vorgenommene, rein subjektive Auwahl relevanter markenrechtlicher Entscheidungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit handelt.