Unser interaktiver AI Hub informiert über die neuesten Trends und Entwicklungen.
Das steigende Zinsniveau und die angesichts des unsicheren Marktumfelds immer noch große Zurückhaltung von Investoren stellen viele Unternehmen vor große Herausforderungen bei ihrer künftigen Finanzierung. Insbesondere Unternehmen aus kapitalintensive Branchen, wie etwa dem Immobiliensektor, die in den letzten Jahren vom Niedrigzinsumfeld profitierten, sind gezwungen, rasch Schritte einzuleiten, um ihre weitere Finanzierung kurzfristig zu sichern. Zu den anstehenden Maßnahmen gehören die Zurückführung bestehender Finanzierungen, die Ersetzung auslaufender günstiger Kredite und Anleihen durch neue, häufig teurere Instrumente, deren Platzierbarkeit zudem mit Unsicherheiten verbunden ist, sowie die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital wegen zu hoher Verschuldensquoten.
Zur Reduzierung bestehender Finanzierungen kommen zunächst eine vorzeitige Kündigung ausstehender Instrumente in Betracht. Die vorzeitige Kündigung hat, so sie denn nach den Anleihebedingungen überhaupt zulässig ist, aber den Nachteil, dass häufig nicht nur die Zahlung des gesamten Nominalbetrags und aufgelaufener Zinsen, sondern darüber hinaus auch eines höheren Rückzahlungsbetrags (make whole) zur Kompensation der Investoren für die frühzeitige Kündigung zu zahlen ist. Diese Lösung erweist sich in den meisten Fällen als nicht rentabel.
Da Anleihen derzeit heute häufig mit einem Abschlag auf den Börsenkurs notieren, erscheint ein ein Anleiherückkauf (bond buy-back) wirtschaftlich attraktiv. Ein solcher Rückkauf kann sowohl über die Börse als auch durch ein öffentliches Rückkaufangebot oder individuell verhandelte Rückkäufe von einzelnen Investoren erfolgen. Voraussetzung ist, dass die Anleihebedingungen einen Rückkauf nicht ausschließen oder einschränken, was jedoch nur selten vorkommt. Ein Rückkauf über die Börse gestaltet sich relativ einfach in der Umsetzung und erfolgt zum aktuellen Börsenkurs, hat jedoch den Nachteil, dass das Handelsvolumen beschränkt ist und die Erreichung des gewünschten Rückkaufvolumens sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Damit steigt das Risiko, dass in diesem längeren Zeitraum Insiderwissen entsteht. Eine Ankündigung des Rückkaufs erfolgt in der Praxis in der Regel erst ab einem Zielvolumen von 20% des Gesamtnominalbetrages.
Ein individueller Ankauf von Investoren erfordert detaillierte Kenntnisse der Investorenbasis, solange die Gesellschaft nicht durch verkaufswillige Investoren angesprochen wird. Auch im Hinblick auf die Erreichung des gewünschten Zielvolumens können sich individuell ausgehandelte Rückkäufe häufig als langwierig erweisen. Denn Investoren werden zur einem Verkauf ihrer Anleihen nur bereit sein, wenn sie die Bonität der emittierenden Gesellschaft kritisch sehen.
Eine größere Reichweite erzielt man mit einem öffentlichen Rückkaufangebot (tender offer). Beim reinen Rückkauf ohne Umtausch in eine neue Anleihe ist der Dokumentationsaufwand relativ schlank: das zu veröffentlichende Rückkaufangebot, ein freiwilliges Tender Offer Memorandum, das kurz die technischen Abläufe des Angebots zusammenfasst, und i.d.R. eine Ad-hoc-Mitteilung. Spielraum besteht bei der Art der Festlegung des Rückkaufpreises. Während ein fester, bereits im Rückkaufangebot genannter Preis (any and all-tender) den Vorteil einer klaren Kommunikation an den Markt hat, steht ihm in Zeiten volatiler Märkte mangelnde Flexibilität entgegen. Flexibler sind hingegen Preisgestaltungen wie ein Aufschlag auf die aktuelle Effektivverzinsung zum Zeitpunkt der Preisfestsetzung, ein (umgekehrtes) Bookbuilding innerhalb einer vorab kommunizierten Preisspanne oder eine Auktion, bei der der geringste Preis, zu dem das gewünschte Rückkaufvolumen erreicht wird, für alle Rückkäufe gilt (modified Dutch auction).
Ist unklar, ob Anleihegläubiger Interesse an einem Rückkaufangebot haben, kann eine Incentivierung durch Zahlung eines etwas über dem aktuellen Börsenkurs liegenden Preises erfolgen. Ist dies nicht möglich, bleibt als Anreiz für die Anleihegläubiger die Aussicht auf kurzfristige Liquidität als Alternative zu einer (mit Unsicherheiten behafteten) späteren Rückzahlung. Erreicht das zurückgekaufte Volumen eine häufig in Anleihebedingungen vorgesehene Grenze, ermöglicht dies dem Emittenten die Rückzahlung der noch ausstehenden Schuldverschreibungen. Ein solcher Clean-up Call ist aber idR nur zum Nominalbetrag möglich.
Häufig ist allein die Reduzierung bestehender Finanzierungen nicht ausreichend, um den bestehenden Kapitalbedarf langfristig zu decken. Oder der Gesellschaft fehlen hierzu die finanziellen Mittel. In diesen Fällen gilt es, bestehende Finanzierungen durch ein möglichst günstiges Mix alternativer Instrumente zu ersetzen. So kann es sich anbieten, statt eines Anleiherückkaufs ein Umtauschangebot (exchange offer) durchzuführen. Wirtschaftlich kommt ein Umtauschangebot der Emission einer neuen Anleihe und der Rückzahlung der alten Anliehe gleich. Hat der Emittent die Zuversicht, dass die bestehenden Investoren – wenn auch nur zu für sie verbesserten Konditionen – investiert bleiben möchten, erweist sich Exchange Offer als geeignetes Instrument.
Reicht das voraussichtlich dabei zu erzielende Volumen nicht aus, um die Unternehmensfinanzierung sicherzustellen, kann den umtauschenden Anleihegläubiger der Erwerb zusätzlicher neuer Anleihen angeboten oder die neue Anleihe sogar parallel am Markt platziert werden. Der mit einer Prospekterstellung verbundene Zeit- und Kostenaufwand wird vermieden, wenn die Stückelung der neuen Anleihe EUR 100.000 beträgt oder das Angebot ausschließlich an Anleger gerichtet ist, die Mindestorders in Höhe von EUR 100.000 tätigen. Soll gleichzeitig das Eigenkapital gestärkt und die Debt-Equity-Ratio verbessert werden, kann die neue Anleihe auch als Hybridanleihe, Green Bond oder Nordic Bond ausgestaltet werden.
Aufwändiger ist die Reduzierung des Nominalbetrags oder des Coupons durch eine Änderung der Anleihebedingungen aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses der Anleihegläubiger nach dem SchVG. Bereits kommunikativ mit Schwierigkeiten behaftet, ist auch der Zeitaufwand für ein solches Vorhaben nicht zu unterschätzen. So sind etwa für eine Verlängerung der Laufzeit oder eine Reduzierung des Zinssatzes als eine qualifizierte Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen erforderlich, wobei mindestens die Hälfte der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten sein muss. Häufig erweist sich die Einberufung einer zweiten Versammlung als nötig, für die es reicht, wenn mindestens ein Viertel der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten ist. Zusätzliche Verzögerungen können sich aus Widersprüchen und möglichen Anfechtungsklagen einzelner Anleihegläubiger gegen die sämtliche Anleihegläubiger bindenden Beschlüsse ergeben. Ein Umtauschangebot hat den Vorteil, dass ein Umtausch zumindest teilweise erfolgen kann, wenn die Zustimmungsschwellen des SchVG nicht erreicht sind. Das SchvG-Verfahren hat wiederrum den Vorteil, dass mit einem Mehrheitsentscheid die Bedingungen für alle Teilschuldverschreibungen geändert werden.
Als Ultima Ratio kommt eine Umwandlung der Anleihe in Eigenkapital in Bedarf. Hierzu bedarf es nicht nur der Mitwirkung der einbringenden Anleihegläubiger, sondern auch der Gesellschafter, die eine entsprechende Sachkapitalerhöhung sowie einen Bezugsrechtsausschluss mit der erforderlichen Mehrheit beschließen müssen. Vor der Einbringung ist die einzubringende Forderung zu bewerten. Bei börsennotierten Gesellschaften ist zur Vermeidung eines Pflichtangebots eine Sanierungsbefreiung einzuholen. Behält ein mit mehr als 10% am Kapital beteiligter Neugesellschafter einen Teil seiner Beteiligung, ist ihre Subordination der Restforderung im Blick zu behalten.
Verfasst von Prof. Dr. Michael Schlitt, Dr. Susanne Ries LL.M. .M (London)