Hogan Lovells 2024 Election Impact and Congressional Outlook Report
15 November 2024
Green Bond Emissionen prägen den nachhaltigen Finanzmarkt wie wohl kein anderes Finanzinstrument. Der Markt grüner Anleihen stand lange Zeit unter dem Dogma der Selbstregulierung durch etablierte Marktpraktiken und freiwillige Leitlinien, was vom EUGesetzgeber insbesondere aufgrund der bestehenden Greenwashinggefahr kritisch gewürdigt wurde. Mit der Verordnung über europäische Green Bonds hat der EU Gesetzgeber nun einen Entwurf für eine gesetzliche Regelung als Teil der europäischen Gesetzgebungsinitiative auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit unterbreitet. Der Vorschlag sieht für den Fall, dass eine Anleihe als „Europäische Grüne Anleihe“ (EUGB)vermarktet wird, verbindliche Regelungen vor. Im Übrigen ist er jedoch freiwillig. Daher können„Green Bonds“ auch ohne Verwendung dieses Standards emittiert werden. Der Green Bond Standard-Entwurf (GBS-E) enthält zudem unverbindliche Dokumentationsmuster für Emissionenvon sonstigen ökologisch nachhaltig vermarkteten Anleihen und von Anleihen mit Koppelung an ein Nachhaltigkeitsziel.
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Entwicklung sowie den wesentlichen Inhalten des Vorschlags, untersucht die Möglichkeiten des Enforcements der grünen Anleiheelemente und unternimmt eine erste Würdigung des Standards.
Die anhaltende gesellschaftliche Sensibilität für ESG (Environmental, Social, Governance)-Aspekte hat seit Längerem auch die Finanzmärkte erfasst. Dabei haben insbesondere Green Bonds das Interesse von Emittenten und Anlegern, aber auch die Aufmerksamkeit der Regulierer geweckt. So stiegen die weltweiten Emissionen grüner Anleihen dabei in nur 15 Jahren von weniger als 1 Mrd. EUR im Jahr 2008 auf mehr als 1,5 Brd. EUR im Jahr 2022.
Der Begriff der grünen Anleihe erfasst primär Anleihen, deren Erlöse für grüne bzw. nachhaltige Projekte verwendet werden sollen (Anleihe mit grüner Verwendungsabrede, auch Use-of-proceed Bond). Im weiteren Sinne zählen dazu auch Anleihen, die durch eine Koppelung der Anleihe mit einem Nachhaltigkeitsziel gekennzeichnet sind (Anleihe mit Koppelung an Nachhaltigkeitsziel, auch Sustainability-linked Bond). Solche Sustainability-linked Bonds machen bisher allerdings lediglich knapp 10 % des gesamten ESG-Anleihenmarktes aus. Emittenten grüner Anleihen versprechen sich von ihrer Begebung neben der reinen Kapitalbeschaffung und der Diversifizierung des Investorenkreises konkrete Finanzierungsvorteile in Form von günstigeren Zinsen.6 Zur Untermauerung der Glaubwürdigkeit des angestrebten Nachhaltigkeitseffekts wird bislang zumeist auf die Green Bond Principles (GBP) der International Capital Market Association (ICMA) zurückgegriffen. Anleger investieren seit dem Aufkommen des Green-Bond Trends 2007 zum Teil aus altruistisch-moralischen, zum Teil aus rein finanziellen Motiven in diese ESG-Instrumente. Denn ihr Risikoprofil wird verbreitet niedriger eingeschätzt als bei gewöhnlichen Anleihen (Straight bonds). Dabei müssen sowohl Retailinvestoren als auch qualifizierte Anleger darauf vertrauen, dass die angekündigten Nachhaltigkeitsziele durch den Emittenten auch tatsächlich umgesetzt werden. Die Gefahr des Greenwashings durch unwahre, unvollständige oder irreführende Angaben durch Emittenten oder konsortialführende Banken in der Anleihedokumentation oder den begleitenden Marketingunterlagen hat sich daher als kritischer Punkt erwiesen.
Aufgrund dieses Befunds hat die EU-Kommission im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsgesetzgebung im Jahr 2021 erstmals einen Vorschlag für einen europäischen Green Bond Standard vorgelegt.
Der EU-Standard möchte ein hohes Informations- und Schutzniveau für die Anleger durch verbindliche Vorgaben im Falle der Nutzung des Labels „EU Green Bond“ gewährleisten. Zusätzlich sollen einheitliche Dokumentations-, Bewertungs- und Emissionsvorschriften für eine bessere Vergleichbarkeit grüner Anleihen sorgen.
Der EU Gesetzgeber möchte insbesondere sicherstellen, dass das Kapital tatsächlich für umweltfreundliche Projekte verwendet wird. Dadurch soll die Investitionsbereitschaft der Anleger in den Markt für Green Bonds gestärkt werden. Denn in der Vergangenheit hat es vermehrt Emissionen gegeben, die das Anlegervertrauen erschüttert hatten. Dazu gehört beispielsweise ein Fall, bei dem das anvisierte ESG-Ziel bereits im Emissionszeitpunkt erreicht wurde.
Die Regulierung zielt durch die Schaffung eines höheren Transparenzniveaus auf die Reduzierung von Wettbewerbsverzerrungen zugunsten aller Marktteilnehmer ab und ist auf das Wachstum des Green Bond Marktes insgesamt ausgerichtet. Nachdem es bisher keine individuellen Gesetzesinitiativen einzelner Mitgliedsstaaten gab, soll ein europäischer Standard auch dafür sorgen, dass grüne Anleihen in der EU vereinheitlicht „ökologisch nachhaltige“ Wirtschaftsaktivitäten iSv Art. 3 Taxonomie-VO finanzieren und in die sonstige Gesetzgebungsaktivität auf diesem Gebiet eingebettet sind.
Die im Jahr 2016 von der EU-Kommission eingesetzte High-Level-Expert Group (HLEG) on Sustainable Finance wurde beauftragt, eine umfassende europäische Nachhaltigkeitsstrategie für den Finanzsektor zu erarbeiten. Sie unterbreitete in ihrem Abschlussbericht 2018 ua den Vorschlag zur Erarbeitung eines europäischen Green Bond Standards, der auf den Prinzipien der ICMA und der EU-Taxonomie basierte.
Die Empfehlungen der HLEG führten schließlich zur Einsetzung der Technical-Expert Group (TEG) im März 2018. Die TEG machte im Juni 2019 einen ersten konkreten Verordnungsvorschlag für einen europäischen Standard, der im März 2020 durch eine Auslegungshilfe (Usability Guide) ergänzt wurde.
Im Juli 2021 hat die EU-Kommission den Vorschlag der TEG aufgegriffen und, basierend auf Art. 114 AEUV und in Umsetzung des EU Green Deals25, einen ersten Legislativvorschlag für eine Verordnung unterbreitet.
Europäische Grüne Anleihen sind seitdem durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
Der Standard ist im Einklang mit dem Vorschlag der TEG lediglich für diejenigen Emittenten verbindlich, die ihre Anleihe als „Europäische Grüne Anleihe“ oder „EU Green Bond“ vermarkten möchten (Art. 3 GBS-E aF). Er enthielt keine allgemeinen Vorgaben für Anleihen mit grüner Verwendungsabrede oder Anleihen mit Koppelung an ein Nachhaltigkeitsziel.
Nachdem die Inhalte des Entwurfs im Rahmen des sich anschließenden Trilogs kontrovers diskutiert worden waren, konnte im Februar 2023 eine vorläufige Einigung mit wesentlichen Änderungen zum Vorschlag aus 2021 erzielt werden. Diese Einigung muss für ihr endgültiges Inkrafttreten noch vom Rat und vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Im Anschluss wird die Verordnung 12 Monate nach ihrem Inkrafttreten anwendbar sein.
a) Verbindlichkeit
Zur verbindlichen Regulierung hat sich die EU-Kommission entgegen ihrer ursprünglichen Planung für die Handlungsform einer Verordnung entschieden. Der GBS-E legt fest, dass die Entscheidung zur Nutzung des EU-Labels freiwillig ist. Der Standard wurde zudem um Veröffentlichungsempfehlungen für Emittenten aller (sonstigen) grünen Anleihen ergänzt, die das EU-Label nicht in Anspruch nehmen (vgl. Art. 1 iVm Art. 13 g und Art. 13 h GBS-E). Emittenten können grüne Anleihen daher nach wie vor allein auf Grundlage der ICMA-Prinzipien oder anderer freiwilliger Marktstandards emittieren. In Anlehnung an den Sprachkodex der ICMA unterscheidet der GBS-E zwischen zwingenden Vorgaben (shall) und reinen Zusatzempfehlungen (may, zB Art. 10 Abs. 2 b GBS-E).
b) Prospekterfordernis bei Europäischen Grünen Anleihen
Eine wesentliche Änderung zum Entwurf aus 2021 besteht darin, dass die Vermarktung als EU Green Bond nur auf Grundlage eines veröffentlichten Wertpapierprospekts erfolgen darf (Art. 12 Abs. 1 GBS-E). Die Erstellung eines Prospekts ist bei gewöhnlichen Anleiheemissionen nur im Falle eines öffentlichen Angebots oder der Zulassung der Anleihe zu einem regulierten Markt (Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 VO (EU) 2017/1129) verpflichtend. Sofern die Anleihe mit einer Mindeststückelung von 100.000 EUR angeboten wird oder sich das Angebot ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet, kann die Emission bei normalen Corporate Bonds prospektfrei erfolgen. Bei der Vermarktung einer Europäischen Grünen Anleihe ist hingegen stets ein Wertpapierprospekt nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 VO (EU) 2017/1129 zu erstellen (Art. 4 GBS-E). Der damit verbundene Aufwand und das Prospekthaftungsrisiko könnten die Nutzung des EU-Labels insgesamt weniger attraktiv machen. Auch läuft diese Regelung dem Ziel des EU-Listing Acts zuwider, das die Prospekterfordernisse eher zurückschneiden wollte.
c) Sonstige Anleihen und Emittenten
Der Entwurf erfasst daneben auch andere Formen von Anleihen mit grüner Verwendungsabrede sowie Anleihen mit Koppelung an ein Nachhaltigkeitsziel. Unter Anleihen mit grüner Verwendungsabrede versteht der EU-Gesetzgeber solche Anleihen, bei denen den Anlegern auf (quasi-)vertraglicher Grundlage zugesichert wird, dass die Anleiheerlöse für wirtschaftliche Tätigkeiten verwendet werden, die zu einem Umweltziel beitragen (Art. 2 Abs. 5 a GBS-E). Damit ist bislang noch unklar, ob der EU-Gesetzgeber die Anwendbarkeit der VO von einer verbindlichen Zusage der Erlösverwendung abhängig machen wollte oder ob insofern auch die bloße Absicht einer grünen Erlösverwendung ausreicht. Zu den Anleihen mit Koppelung an ein Nachhaltigkeitsziel zählt der EU-Gesetzgeber Anleihen, deren finanzielle oder strukturelle Merkmale von der Erreichung vorab definierter Umweltziele abhängen (Art. 2 Abs. 5 d GBS-E). Für diese Form von Anleihen ergibt sich kein Prospekterfordernis, vielmehr wird die Möglichkeit der Nutzung einheitlicher Muster zur Dokumentation der Emission eröffnet (Art. 13 g Abs. 1 GBS-E).
Von der Emission Europäischer Grüner Anleihen sind lediglich Emittenten mit Sitz in einem „Drittland mit hohem Risiko“ ausgeschlossen (vgl. Art. 7 a GBS-E iVm Art. 9 Abs. 2 RL (EU) 2015/849, ErwG 12 a GBS-E). Der Vorschlag enthält weitere Regelungen für verbriefte Anleiheemissionen (Securitisations, vgl. Art. 13 a ff. GBS-E). Die Regelungen finden auch für hoheitliche Emittenten (vgl. Art. 11 GBS-E) sowie Emittenten (und externe Bewerter) aus Drittstaaten Anwendung. Dabei gelten jeweils besondere Regelungen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.
Die Regulierung der Erlösverwendung stellt einen weiteren Kernpunkt des GBS-E dar und war Gegenstand mehrfacher Änderungen.
a) Taxonomiekonformität
Die EU-Taxonomie fungiert bei der Bestimmung ökologisch nachhaltiger Verwendungszwecke als primäres Klassifizierungssystem (Art. 4 Abs. 1 GBS-E). Der Anleiheerlös Europäischer Grüner Anleihen ist dabei grundsätzlich vollständig und während der gesamten Laufzeit der Anleihe taxonomiekonform zu verwenden. Als taxonomiekonforme Verwendungszwecke gilt jede wirtschaftliche Aktivität, die unter Einhaltung eines gesetzlichen Mindeststandards einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines der sechs Umweltziele der Taxonomie leistet. Dabei darf keines der anderen Umweltziele wesentlich beeinträchtigt werden (Art. 3 Taxonomie-VO). Zu den zulässigen Ausgabeformen zählen neben Sachanlagen auch Haushaltsausgaben, bestimmte finanzielle Vermögenswerte (zB Darlehen) sowie Betriebs- und Investitionsausgaben. Ausweislich der erforderlichen Angaben im Factsheet dürfen die Erlöse auch zu Refinanzierungszwecken eingesetzt werden (vgl. Annex I Punkt 4 GBS-E).
b) Flexibility Pocket und CapEx-Plan
Im Unterschied zu früheren Fassungen müssen nach dem jetzigen Entwurf nicht mehr zwingend 100 % der Erlöse taxonomiekonform verwendet werden. Vielmehr ist es ausreichend, wenn lediglich 85 % der Erlöse der Taxonomie entsprechen, bis für den restlichen Teil technische Screeningkriterien entwickelt wurden (sog. Flexibility Pocket, Art. 4 a Abs. 1 lit. a GBS-E).
Da bislang lediglich in Bezug auf die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ (Art. 9 lit. a und b Taxonomie-VO) finale Screeningkriterien vorliegen, ist dieses „Flexibility Pocket“ besonders attraktiv. In diesem Fall sind zusätzliche Angaben ua zum Anteil des noch nicht-taxonomiekonformen Erlöses im Green Bond Factsheet und für Betriebs- und Investitionsausgaben in einem gesonderten Plan zu machen (sog. CapEx-Plan, Art. 4 a Abs. 2, Art. 6 GBS-E iVm Anhang I Punkt 1.1.2.2 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 DelVO (EU) 2021/2178). Der Emittent muss aber auch insoweit gewisse Mindeststandards einhalten und darf keines der Umweltziele der Taxonomie wesentlich beeinträchtigen (Do-not-significant-harm Grundsatz aus rt. 3 iVm Art. 17 Taxonomie-VO).
Es wird den Emittenten zudem gestattet, Erlöse mehrerer Emissionen in einem Portfolio zusammenzufassen, sofern der Gesamtwert der darin enthaltenen Vermögenswerte den Wert der ausstehenden Europäischen Grünen Anleihen übersteigt (Art. 4 Abs. 1 a GBS-E). Im Gegensatz zum 2021-E müssen nunmehr lediglich die Nettoemissionserlöse abzgl. der Transaktionskosten taxonomiekonform verwendet werden (Art. 4 Abs. 1 GBS-E). Für andere Formen grüner Anleihen als EUGB enthält der Vorschlag indes keine Vorgaben.
c) Zeitliche Aspekte bei der Anwendung der technischen Screeningkriterien (Grandfathering)
Diskutiert wird zudem, wie sich die Rechtslage verhält, wenn die ehemals im Zeitpunkt der Emission taxonomiekonformen Verwendungszwecke nicht mehr den in der Zwischenzeit aktualisierten Screeningkriterien entsprechen. Fraglich ist, ob der Emittent bei einer Änderung der Screeningkriterien zu einer Anpassung seiner Erlösallokation verpflichtet ist. Die Kriterien werden in dreijährigen Abständen an möglicherweise neue wirtschaftliche und rechtliche Erkenntnisse angepasst (Art. 19 Abs. 5 Taxonomie-VO). Damit kann die Situation entstehen, dass bereits allokierte bzw. noch nicht allokierte Erlöse nicht mehr den geltenden Screeningkriterien genügen. Konkret formuliert lautet die Frage, ob, und wenn ja innerhalb welchen Zeitraums der Emittent zur Neujustierung des Verwendungszwecks verpflichtet ist. Nachdem in früheren Entwürfen eine Zeitspanne von fünf Jahren für eine Anpassung des Verwendungszwecks an die im Zeitpunkt der Allokation geltenden Screeningkriterien im Raum stand, sieht der nun vorliegende Entwurf eine Periode von sieben Jahren hierfür vor (Art. 7 Abs. 2 GBS-E). Grundsätzlich müssen dabei nur die noch nicht allokierten Erlöse den dann geltenden neuen Kriterien entsprechen. Sofern der Emittent Erlöse mehrerer Emissionen in einem Portfolio zusammenfasst, dürfen die auf das Portfolio angewendeten Kriterien nicht älter als sieben Jahre sein, was ggf. zur Reallokation bereits eingesetzter Erlöse führen kann.
a) Allgemeines
Der GBS-E macht im Unterschied zu den ICMA-Prinzipien weitreichende Vorgaben an den Bewertungsvorgang und den Bewerter, die an die EU-Rating-VO erinnern (Art. 14 ff. GBS-E). Externe Bewerter müssen sich vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der ESMA registrieren lassen und werden fortan von ihr überwacht. In dem Registrierungsantrag hat der externe Bewerter ua seine Bewertungsmethode für die Vor- und Nachemissionskontrolle zu erläutern und die Anzahl sowie fachliche Qualifikation seiner Analysten anzugeben (Art. 18 ff. GBS-E).
Der Bewerter hat nach der Registrierung fortlaufend sicherzustellen, dass er angemessene Systeme, Ressourcen und Verfahren für die Einhaltung der Vorgaben des GBS-E unterhält (Art. 18 Abs. 1 und Abs. 2 GBS-E). Der Entwurf beinhaltet dabei Anforderungen an das Management und sonstige Beschäftigte (Art. 19 und 20 GBS-E), organisatorische Vorgaben (zB Aufstellung eines Compliance-Systems, Art. 21 bis 25 GBS-E) und enthält zusätzliche Dokumentationspflichten (Art. 26 GBS-E).
b) Interessenkonflikte
Einer detaillierten Regelung wird auch die Behandlung von Interessenkonflikten der externen Bewerter zugeführt. Neben potentiellen Konflikten von Beschäftigten und für ihn tätige Dienstleister müssen nunmehr auch die Interessenkonflikte der wesentlich beteiligten Gesellschafter bzw. Aktionäre des Bewerters ermittelt, reduziert und vor allem dokumentiert und veröffentlicht werden (vgl. Art. 27 Abs. 1 GBS-E). Allein eine Kapitalbeteiligung am externen Bewerter schließt die Durchführung der Bewertung nicht aus. Nur dann, wenn der Interessenkonflikt nicht eliminiert werden kann, muss der Bewerter die Prüfung abbrechen (Art. 27 Abs. 1 a GBS-E).
Im Gegensatz zur Entwurfsfassung aus 2022, in der enumerativ aufgezählt wurde, welche Interessenkonflikte einer Bewertung entgegenstehen, enthält der aktuelle Entwurf eine offene Formulierung ohne abschließende Aufzählung denkbarer Interessenkonflikte. Die Schlussfolgerung, dass sich der EU Gesetzgeber inhaltlich an den vormals genannten Fällen von Interessenkonflikten distanzieren wollte, dürfte indessen zu weit gegriffen sein. Vielmehr spricht viel dafür, dass die vormals enumerativ aufgeführten Konstellationen künftig im Wege einer historischen Gesetzesauslegung als Kriterien für das Vorliegen eines Konflikts herangezogen werden können.
c) Outsourcing
Im Hinblick auf die Frage der Auslagerung von Bewertungsvorgängen (Outsourcing), wurde zwischenzeitlich in Erwägung gezogen, dass jede Outsourcing-Entscheidung durch die ESMA einzeln genehmigt werden muss (Art. 25 Abs. 3 S. 2 des GBS-E nach dem Legislativbericht). Eine solche Regelung findet sich im aktuellen VO-E nicht mehr. Allerdings können externe Bewerter lediglich einzelne Tätigkeiten auf Dritte unter Einhaltung strenger Überwachungspflichten übertragen (insb. Art. 25 Abs. 6 GBS-E).
Die Dokumentation der Emission eines Green Bonds ist eines der Hauptregulierungsanliegen des GBS-E. Dies steht im Einklang mit der sonstigen europäischen Kapitalmarktregulierung, die primär auf Transparenzvorgaben als Regulierungsmittel zum Ausgleich von Informationsasymmetrien setzt.
a) Für Emittenten Europäischer Grüner Anleihen
aa) Green Bond Factsheet (Art. 8 GBS-E iVm Annex I GBS-E)
Im Factsheet sind insbesondere die übergreifende Nachhaltigkeitsstrategie, die Ausrichtung der Projekte an der EU-Taxonomie, die Erlösverteilung, das Berichtwesen und die Überprüfung der Emission zu beschreiben (vgl. Art. 8 Abs. 1 iVm Annex I GBS-E). Der Emittent hat zudem zu bestätigen, dass er die Vorgaben des GBS-E einhält. Die Veröffentlichung des Factsheets erfolgt vor der Emission nach einem in der VO vorgegebenen Muster. Dadurch sollen Anleger und Marktteilnehmer in vergleichbarer Form bereits vor der Platzierung der Anleihe über die Einhaltung der Taxonomie informiert werden.
Inhaltlich entspricht das Factsheet weitestgehend den typischerweise im GBF enthaltenen Angaben. Insofern ist zu erwarten, dass das Factsheet das Framework künftig ersetzen wird.
bb) Allokationsbericht (Art. 9 GBS-E iVm Annex II GBS-E)
Emittenten Europäischer Grüner Anleihen haben nach dem GBS-E alle 12 Monate ab dem Ausgabetag bis zur vollständigen Allokation der Erlöse über die bisherige Verwendung Bericht zu erstatten (Art. 9 Abs. 1 GBS-E iVm Annex II). Dabei soll insb. geprüft werden, ob die Verwendung im Einklang mit den Ankündigungen aus dem Green Bond Factsheet steht (Art. 9 Abs. 7 GBS-E). Bei Aufstellung eines CapEx-Plans enthält der Bericht zudem Angaben zur Umsetzung der im CapEx-Plan angekündigten Betriebs- und Investitionsausgaben. Der Bericht soll innerhalb von 270 Tagen nach dem Ausgabetag veröffentlicht und extern bewertet werden. Innerhalb dieser Zeitspanne soll dem externen Bewerter mindestens ein Zeitraum von 90 Tagen zur Prüfung des Allokationsberichts zur Verfügung stehen (Art. 9 Abs. 6 GBS-E).
cc) Impactbericht (Art. 10 GBS-E iVm Annex III GBS-E)
Der Impactbericht gibt Auskunft über die tatsächliche Nachhaltigkeitswirkung der eingesetzten Erlöse bzw. zugrundeliegenden Projekte. Ähnlich den Vorgaben der ICMA soll der Bericht im Gegensatz zum Allokationsbericht lediglich einmal während der Laufzeit des Bonds veröffentlicht werden (Art. 10 Abs. 1 GBS-E). Die EU empfiehlt die externe Bewertung des Berichts in unverbindlicher Form (Art. 10 Abs. 2 b GBS-E).
b) Für Emittenten anderer grüner Anleihen (Art. 13 g und 13 h GBS-E)
Der neu eingefügte Titel IIa umfasst nun optionale Vorschriften für andere Emittenten von Anleihen mit grüner Verwendungsabrede sowie für Emittenten von Anleihen, die an ein Nachhaltigkeitsziel gekoppelt sind. Der Entwurf enthält dabei Vorgaben für die Erstellung von Mustervorlagen zur Dokumentation der Emission im Zeitpunkt vor und nach erfolgter Allokation der Erlöse. Inhalt und Aufmachung der Musterdokumente sind von der Kommission in delegierten Rechtsakten festzulegen (Art. 13 g Abs. 1 GBS-E). In den Musterdokumenten soll der Emittent insbesondere angeben, ob er eine externe Bewertung der Emission beabsichtigt (Art. 13 g Abs. 1 und 2 GBS-E).
Die Dokumentationsmuster für Anleihen mit grüner Verwendungsabrede knüpfen dabei an neue Angaben an, die nach der ebenfalls reformierten CSRD iRd Nachhaltigkeitsberichterstattung zu machen sind. Emittenten sollen dabei insbesondere erläutern, inwiefern die Anleihe den Anteil taxonomiekonformer Wirtschaftsaktivitäten erhöht und ggf. zur Umsetzung eines Klimatransitionsplans (iSv Art. 19 a Abs. 2 lit. a (iii) CSRD) beiträgt.
Bei Sustainability-linked Bonds müssen zusätzliche Angaben zur Messung und Bewertung des Nachhaltigkeitsziels gemacht werden (Art. 13 g Abs. 4 lit. a GBS-E). Die Muster sehen darüber hinaus die Angabe des mit der Anleihe verbundenen Anteils taxonomiekonformer Umsätze sowie eine allgemeine Beschreibung der Bondstruktur vor (Art. 13 g Abs. 4 lit. c und d GBS-E). Die og Informationen sind nach den Vorgaben zur Erstellung entsprechender Dokumentationsmuster in periodischen Abständen wiederholt zur Verfügung zu stellen (Art. 13 h GBS-E).
Sofern der Emittent strategische Angaben zur Umsetzung seiner Nachhaltigkeitsstrategie im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsberichterstattung machen muss (in sog. Finanz- und Investitionsplänen iSv Art. 19 a Abs. 2 lit. a (iii) CSRD bzw. Art. 29 a Abs. 2 lit. a (iii) CSRD), hat er auch darzustellen, welchen Beitrag die Anleiheemission bei der Realisierung der Strategie leistet. Der Emittent hat zudem mitzuteilen, wie sich die Anleiheerlöse voraussichtlich auf den Anteil taxonomiekonformer Umsätze, Investitions- und Betriebsausgaben auswirkt (Art. 13 g Abs. 3 lit. b GBS-E). Die Dokumentation ist damit wesentlich an die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD angelehnt.
Der Entwurf enthält hingegen keine Vorgaben zur Ausgestaltung der Anleihebedingungen (Terms & Conditions, Ts&Cs) für Emittenten anderer grüner Anleihen. Die nach dem Dokumentationsmuster geforderten Angaben für andere grüne Anleihen haben im Falle von prospektpflichtigen Emissionen im Einklang mit dem Prospekt zu stehen, was in delegierten Rechtsakten noch näher durch die Kommission festzulegen ist (Art. 13 h Abs. 4 GBS-E).
c) Verhältnis zur konventionellen Anleihedokumentation
aa) Anleihebedingungen
Der GBS-E macht im Unterschied zur Entwurfsversion aus 2021 keine Vorgaben zur vertraglichen Einbindung der Anforderungen an Europäische Grüne Anleihen in die Anleihebedingungen. Weder die taxonomiekonforme Erlösverwendung noch die nach dem Vorschlag erforderlichen laufenden Berichterstattungspflichten oder die externe Bewertung der Emission müssen demnach in den Ts&Cs festgehalten werden. Der EU-Gesetzgeber hat sich bewusst für ein (rein) hoheitlich beaufsichtigtes Transparenzregime entschieden.
bb) Prospekt
Im Prospekt muss sich aus der Darstellung zur Erlösverwendung (Art. 13 VO (EU) 2017/1129 iVm Anhang 14 Punkt 3.4 DelVO 2019/980) ergeben, dass die Emission im Einklang mit dem GBS-E steht (Art. 12 Abs. 1 GBS-E). Auf die Angaben aus dem Green Bond Factsheet kann zudem künftig im Wege der „Incorporation per Reference“ verwiesen werden (Art. 19 Abs. 1 lit. c VO (EU) 2017/1129 iVm Art. 12 Abs. 2 GBS-E). Insofern ist zu beachten, dass alle per Verweis in den Prospekt einbezogenen Informationen auch Gegenstand einer Prospekthaftung sein können (Art. 12 Abs. 1 WpPG). Sofern der Emittent einen CapEx-Plan aufgestellt hat, ist der Plan im Prospekt zusammenzufassen (Art. 6 Abs. 1 lit. d GBS-E).
Der Prospekt muss als umfassendes Informationsdokument für die Anleger vollständig und richtig sein (Art. 6 Abs. 1 VO (EU) 2017/1129). Auch der neue Entwurf macht keine Aussage darüber, wie die grünen Anleiheelemente im Rahmen der regulären Prospektoffenlegung zu reflektieren sind.
Für eine Darstellung der grünen Anleiheelemente kommen insbesondere die Abschnitte zu den Risikofaktoren (Anhang 14, Punkt 2.1 DelVO 2019/980), zu den Gründen für das Angebot und die Verwendung der Erträge (Anhang 14, Punkt 3.2 DelVO 2019/980) sowie zu etwaigen externen Beratern und Ratings (Anhang 14, Punkt 1.4 und 7 DelVO 2019/980) in Frage. Bei der Darstellung der Risikofaktoren wird typischerweise darauf hingewiesen, dass bislang noch keine klare Definition einer „grünen“ bzw. „nachhaltigen“ Anleihe besteht und dass die Erreichung der anvisierten Nachhaltigkeitswirkung bzw. -ziele nicht durch den Emittenten garantiert wird. Zudem ist das prospektrechtliche Konsistenzgebot zu beachten, nach dem alle Informationen aus dem Prospekt im Einklang mit den ansonsten öffentlich verfügbaren mündlichen wie schriftlichen Informationen (insb. Marketingmaterialien) stehen müssen (Art. 22 Abs. 4 VO (EU) 2017/1129). Dieses Prinzip umfasst alle Angaben aus dem GBF und aus der emissionsbezogenen Dokumentation. Es ist zu erwarten, dass durch den EU Listing Act ESG-relevante Informationen im Rahmen der Gestaltung des Wertpapierprospekts bei der Emission von Nicht-Dividendenwerten künftig an Bedeutung gewinnen. Bei der Erstellung von Anleiheprospekten soll dabei künftig berücksichtigt werden, ob Emittenten von Nichtdividendenwerten bei der Vermarktung ESG-Faktoren (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) oder ESG-Ziele verfolgen.
d) Veröffentlichungspflichten
Sowohl das Factsheet als auch die darauffolgenden Berichte sind gemeinsam mit den dazugehörigen externen Bewertungen und gegebenenfalls mit dem CapEx-Plan auf der Webseite des Emittenten nach Maßgabe der Prospekt-VO für mindestens 12 Monate nach Ende der Laufzeit der Anleihe einzustellen (Art. 13 Abs. 1 GBS-E). Auch die externen Bewerter haben die von ihnen geprüften Berichte bis zum Laufzeitende des jeweiligen Bonds auf ihrer Webseite zu veröffentlichen (Art. 30 GBS-E).
Der GBS-E greift zwar einerseits wesentliche Strukturmerkmale bisheriger grüner Anleiheemissionen auf, enthält aber auch grundlegende Neuerungen im Vergleich zur derzeitigen Emissionspraxis.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Europäische Grüne Anleihen zu den Anleiheformen mit grüner Verwendungsabrede zählen. Denn auch diese Anleiheform zeichnet sich, wie auf Grundlage der ICMA-Prinzipien erfolgte Emissionen, durch eine ökologisch nachhaltige und damit grüne Erlösverwendung aus. Sowohl Europäische Grüne Anleihen als auch ICMA-Anleihen mit grüner Verwendungsabrede können zudem in allen Risikoklassen, mit verschiedenen Laufzeiten und Zinsgestaltungen und unabhängig davon, ob sie börsennotiert sind oder nicht, begeben werden. Allerdings ist die Nutzung des EU-Labels im Gegensatz zu Anleihen nach Maßgabe der ICMA-Vorgaben zwingend mit der Erstellung eines Wertpapierprospekts verbunden.
Auch Unternehmen aus CO2-intensiven Branchen, wie dem Transport- oder Bausektor, sind nicht von der Emission solcher Instrumente ausgeschlossen. Das Label der EU steht wie die ICMA-Prinzipien ebenfalls Emittenten aller Branchen zur Verfügung.
Die Emissionsbeteiligten Europäischer Grüner Anleihen und von ICMA-Anleihen verfolgen zudem vergleichbare Ziele bei der Emission: Ein Großteil der Emittenten verspricht sich durch die Begebung ein verbessertes Nachhaltigkeitsmarketing bzw. eine positive Signalwirkung gegenüber Investoren und Wettbewerbern. Für die Anleger ist zudem von Bedeutung, ob ihr Vertrauen auf die angekündigte grüne Erlösverwendung rechtlich geschützt ist. Angesichts der gesteigerten Transparenz- und Verifizierungsanforderungen verspricht das EU-Label insofern ein höheres Schutzniveau, was die grüne Erlösverwendung angeht, als dies bei derzeitigen grünen Anleiheemissionen nach der ICMA der Fall ist.
Aus Sicht der begleitenden Banken ergeben sich wenige Unterschiede zu konventionellen Anleiheemissionen. Da im Falle von Europäischen Grünen Anleihen ein zwingendes Prospekterfordernis besteht, ist das Haftungsrisiko der Banken bei solchen Anleihen allerdings tendenziell höher als bei grünen Anleihen auf Grundlage der ICMA-Prinzipien, die auch prospektfrei begeben werden können.
Die grünen Anleiheelemente werden nach den GBP vor der Emission in einem durch den Emittenten erstellten Green Bond bzw. Finance Framework (GBF) zusammengefasst. Dieses enthält Angaben zur „grünen“ Erlösverwendung, zum Erlösmanagement und zum Reporting. Die ICMA empfiehlt eine „angemessene“ Beschreibung der Projekte in der vertraglichen Dokumentation und definiert Mindestanforderungen durch eine beispielhafte Auflistung von Umweltzielen und -indikatoren (high-level-mapping). Die Ausführungen im Green Bond Framework unterscheiden sich hinsichtlich des Detailgrads der Projektbeschreibungen erheblich. Nach der derzeitigen Anleihepraxis beinhalten die Ts&Cs hingegen keine oder nur wenige Angaben zur grünen Verwendung der Anleiheerlöse, zur Berichterstattung über die Mitteilverwendung und der externen Verifizierung der Emission.
Da der GBS-E keine Vorgaben zur vertraglichen Einbeziehung der zuvor genannten Informationen enthält, ist nicht davon auszugehen, dass sich die grünen Anleiheelemente künftig in den Ts&Cs niederschlagen. Alle im Green Bond Framework bislang typischerweise gemachten Angaben sind im nunmehr vorgesehenen Green Bond Factsheet enthalten, das im Unterschied zum Green Bond Framework jedoch nach einem konkreten Muster zu erstellen ist.
Das GBF wird bislang in der Regel durch eine externe Stelle in Form von Second Party Opinions oder Ratings auf seine Konformität mit den ICMA-Prinzipien bewertet. Es bestehen keine verbindlichen Regeln für die Qualifikation der Verifizierer und deren Prüfungsmethode. Die Unterschiede zwischen den Verifizierungsprozessen und -ergebnissen sind dabei erheblich. Europäische Grüne Anleihen sind hingegen zwingend durch registrierte Verifizierer nach einem festgelegten Prozess vor und nach der Emission zu bewerten.
Die Emittenten nach Maßgabe der ICMA-Prinzipien begebener grüner Anleihen berichten nach der Emission jährlich über die Erlösverwendung. Das Reporting besteht wie bei Europäischen Grünen Anleihen aus einem zwingend anzufertigenden Allokationsbericht und dem lediglich empfohlenen Impact-Bericht. Der europäische Gesetzgeber hat dieses Reportingsystem aufgegriffen und dahingehend konkretisiert, dass die Berichte nach vorgegebenen Mustern anzufertigen und zwingend zu veröffentlichen sind. Wie bei den GBP´s ist auch bei EU Green Bonds lediglich der Allokationsbericht einer externen Bewertung zu unterziehen, während dies beim Impact Report fakultativ bleibt.
Da es sich bei den ICMA-Prinzipien um freiwillig anwendbare Leitlinien eines internationalen Verbands handelt, unterliegen sie im Gegensatz zum GBS-E keiner hoheitlichen Aufsicht und können nicht mit öffentlichen Sanktionsmechanismen durchgesetzt werden.
Bisher bieten die nach der ICMA erlassenen Sustainability-linked Bond Principles der ICMA einen Rahmen für die Emission dieser Anleiheform. Im Unterschied zu Anleiheemissionen mit grüner Verwendungsabrede, bei denen die Mittel für konkrete Projekte verwendet werden müssen, stehen die Erlöse bei diesem Instrument zur freien Verfügung des Emittenten. Das Nachhaltigkeitsziel wird meist als prozentuale Veränderung eines Nachhaltigkeitswerts (zB CO2-Emissionen) in Bezug auf ein Referenzdatum im emittenteneigenen Sustainability-linked Framework (SLF) und gegebenenfalls auch im Prospekt angegeben.
Der Nachhaltigkeitswert wird in der Regel anhand von Schlüsselindikatoren (Key performance indicators, KPI) berechnet. Ihre Messung nach bestimmten Zeitabschnitten stellt die Grundlage dar, um zu bewerten, ob das Nachhaltigkeitsziel erreicht wurde. Auch die Schlüsselindikatoren sind Bestandteil der Ts&Cs, des Prospekts und des Frameworks. In der Praxis geben die Emittenten die Berechnungsweise für jedes maßgebliche KPI (zB Summe aller CO2-Emissionen in Mio. t in Jahr X) ausführlich in den SLFs an.
Der EU Gesetzgeber macht nur wenige Empfehlungen für Sustainability-linked Bonds. Der Vorschlag ermächtigt die EU Kommission dabei zur Erstellung freiwillig anwendbarer, einheitlicher Musterdokumente zur Messung und Bewertung des Nachhaltigkeitsziels. Die Musterdokumente sollen zudem Informationen zur emissionsübergreifenden Nachhaltigkeitsstrategie enthalten. Zusätzlich haben Emittenten anzugeben, welchen Anteil die Emission an den taxonomiekonformen Umsätzen des Emittenten ausmacht.
Zu den sonstigen typischen Bondcharakteristika zählt die Beschreibung, wie sich die Verfehlung des Nachhaltigkeitsziels auf die Struktur der Anleihe, insb. den Zinssatz, auswirken wird (Zinsereignis). In der Regel passt der Emittent seine Zinszahlungen lediglich ab einem bestimmten Zinszahlungstag um wenige Basispunkte an. Auch zu diesen Punkten macht der GBS-E keine zwingenden Vorgaben.
Die externe Kontrolle von Sustainability-linked Bonds ähnelt dem Bewertungsprozess von Use-of-proceeds Anleihen. Eine externe Kontrolle dieses ESG-Instruments wird nach den ICMA-Prinzipien empfohlen. Sie ist nach dem GBS-E nicht zwingend vorgesehen. Der Emittent hat lediglich zu dokumentieren, ob er eine externe Bewertung beabsichtigt. Das laufende Reporting nach der Emission besteht meist aus einem jährlichen Bericht, der über die Entwicklung der KPI´s innerhalb des Berichtszeitraums Aufschluss gibt. Im Gegensatz dazu sieht der GBS-E ein konkreteres Reportingregime nach gesetzlichen Mustern vor.
Der GBS-E koppelt die Zuständigkeit der Behörden für die Beaufsichtigung der Emittenten an die Prospekt-VO (Art. 36 Abs. 1 GBS-E iVm Art. 31 VO (EU) 2017/1129). Den danach zuständigen Verwaltungsbehörden der Mitgliedsstaaten, idR also der BaFin bzw. der luxemburgischem Aufsichtsbehörde CSSF, werden hierzu umfangreiche Kompetenzen verliehen. Die Aufsicht erstreckt sich nicht nur auf Emittenten Europäischer Grüner Anleihen, sondern darüber hinaus auch auf Emittenten anderer grüner Anleihen sowie von Emittenten von Anleihen mit Koppelung an ein Nachhaltigkeitsziel, die die freiwillig verwendbaren Mustervorlagen der Kommission für ihre Emissionen nutzen (Art. 36 Abs. 1 lit. a und b GBS-E).
Die zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedsstaaten sollen wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen und verwaltungsrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der VO schaffen (Art. 41 GBS-E). Dazu gehört die Schaffung von Bußgeldtatbeständen, Verbote oder Beschränkungen der Ausgabe grüner Anleihen für einen bestimmten Zeitraum sowie die Veröffentlichung von Informationen über Sanktionen (sog. Naming and Shaming, Art. 44 GBS-E).
Diese für europäische Verordnungen typische generalklauselartige Vorgabe an die Mitgliedsstaaten, geeignete Verwaltungsmaßnahmen zu ergreifen, lässt ihnen insgesamt viel Umsetzungsspielraum und birgt die Gefahr divergierender Sanktionsregime. Dies erscheint im Hinblick auf die internationale und grenzübergreifende Wirkung des GBS-E und der in der Regel supranationalen Platzierung grüner Anleihen problematisch.
Um die Konsistenz und Vergleichbarkeit der Bewertung trotz einer potentiell unterschiedlichen Umsetzung zu gewährleisten, obliegt die Kontrolle der externen Bewerter der ESMA, die umfangreiche aufsichtsbehördliche Befugnisse diesen gegenüber hat (Art. 46 ff. GBS-E).
Im Hinblick auf die privatrechtliche Durchsetzung der grünen Anleiheelemente ist zunächst festzustellen, dass der GBS-E keine Rechte der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Vorgaben vorsieht. Der EU Gesetzgeber scheint die hoheitliche Beaufsichtigung von Emittenten und Bewertern als ausreichendes Durchsetzungsmittel anzuerkennen.
a) Kündigungsrechte
Die Kündigungsmöglichkeit der Anleihegläubiger stellt das wichtigste privatrechtliche Korrektiv im Falle von Verstößen gegen Pflichten aus dem Anleiheschuldverhältnis dar. Die meisten Ts&Cs sehen vor, dass neben der Verletzung von Zahlungspflichten auch jede anderweitige Pflichtverletzung zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, sofern sie nicht (rechtzeitig) behoben werden kann. Die Kündigung wird auch als passendes Instrument für die zweckwidrige Erlösverwendung bei Anleihen mit grüner Verwendungsabrede diskutiert. Für die außerordentliche Kündigung dürfte allenfalls dann Raum sein, wenn die Erlösverwendung in den Ts&Cs verankert ist, was allerdings -wie oben bereits aufgeführt- selten der Fall ist.
Zudem dürfte auch ein wichtiger Grund nur mit hohem Begründungsaufwand ableitbar sein. Bei Sustainability-linked Bonds erscheint die Annahme eines gesonderten Kündigungsrechts angesichts der von den Beteiligten explizit vorgesehenen Rechtsfolge des Zinsereignisses iFd Verfehlung des Nachhaltigkeitsziels fernliegend.
b) Prospekthaftungsanspruch und sonstige Schadensersatzansprüche
Anders als in einer früheren Entwurfsversion ist keine spezialgesetzliche zivilrechtliche Haftung für eine fehlerhafte Erlösallokation vorgesehen. Als spezialgesetzliche Schadensersatzansprüche kommen bei prospektpflichtigen Emissionen daher zunächst die prospektrechtlichen Haftungsansprüche iSv § 9 WpPG in Betracht. Haftungsansprüche können sich insoweit insbesondere bei einer unzulässigen Bezeichnung als EUGB oder einer (sonstigen) fehlerhaften Darstellung der grünen Anleiheelemente im Prospekt ergeben.
Die spezialgesetzliche Prospekthaftung ist ansonsten insgesamt ein zeitlich nur begrenztes Schutzinstrument, da das haftungsbegründende Erwerbsgeschäft innerhalb von sechs Monaten nach der erstmaligen Einführung der Wertpapiere abgeschlossen sein muss. Verletzungen späterer Berichts- und/oder Verifizierungspflichten können durch sie nicht sanktioniert werden.
Weder das GBF bzw. Factsheet noch der Allocation- oder Impact-Report erfüllen ansonsten die Voraussetzungen eines formalen Prospekts iSd Art. 6 Abs. 1 VO (EU) 2017/1129.
Bei der prospektfreien Emission sonstiger grüner Anleihen kommt die spezialgesetzliche Prospekthaftung zudem nicht zum Tragen. In diesen Fällen stellt sich Frage, ob die allgemeine-zivilrechtliche Prospekthaftung zur Haftung führen kann. Dieses Haftungsinstitut kommt nur bei Vorliegen eines prospektähnlichen Dokuments zur Anwendung. Die Haftung verlangt dabei, dass das Vermarktungsdokument wesentliche Informationen zu den wertbildenden Faktoren des Wertpapiers gegenüber dem Anlegerpublikum enthält. Das GBF und die laufenden Berichte nach der Emission enthalten allerdings lediglich Informationen zu den grünen Anleiheelementen, sodass alle guten Gründe gegen die Annahme einer prospektähnlichen Darstellung sprechen. Diese Dokumente beinhalten nur wenige Angaben zu den Konditionen des Angebots oder den wesentlichen Risiken, die der Anleihe zu eigen sind und können daher nicht als umfassende, abschließende Beschreibung der Anleihe verstanden werden.
Sofern die Kursrelevanz der anderweitigen Mittelverwendung bzw. Nichterreichung des Nachhaltigkeitsziels als ESG-bezogene Insiderinformation iSv Art. 7 Abs. 1 MAR gewertet werden kann, kommen bei Anwendbarkeit der MAR und Verletzung der Ad hoc-Meldepflicht auch Schadensersatzansprüche nach §§ 97, 98 WpHG in Betracht. Dies dürfte in der Praxis allerdings die Ausnahme sein.
Deliktische Haftungsansprüche kommen lediglich iRd gesetzlichen Schutzgesetzhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Betracht, sofern aufgrund der nunmehr geltenden Nachhaltigkeitsberichterstattung dem Emittenten eine vorsätzliche unrichtige Darstellung iSd § 331 HGB oder Kapitalanlagebetrug gemäß § 264 a StGB vorgeworfen werden kann. Ansonsten ist die grob fehlerhafte Verbreitung der grünen Zusatzdokumentation in Einzelfällen geeignet, eine informationsgestützte Marktmanipulationshandlung iSv Art. 15 MAR darzustellen. Bei Bejahung der Schutzgesetzeigenschaft dieser Norm wären neben strafrechtlichen (§ 119 Abs. 1 WpHG) und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Folgen (§ 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG) entsprechende Schadensersatzansprüche denkbar. Nach der Judikatur des BGH zur Informationsdeliktshaftung dürften Ansprüche aus §§ 826, 31 BGB nur bei grob unrichtigen Falschangaben in der grünen Anleihedokumentation erfüllt sein.
c) Unterlassen nach dem UWG
Sofern die Angaben im GBF im Einzelfall als unlautere geschäftliche Handlung iSv § 5 UWG zu qualifizieren sind, kommen Schadensersatz- und Unterlassensansprüche nach dem UWG in Frage. Obwohl das Wettbewerbsrecht nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Greenwashingrisiken steht, erweist sich seine Anwendung bei irreführenden Vermarktungsprozessen als gesetzliches Korrektiv durchaus als sinnvoll. Probleme bereitet die Subsumption unter den Wortlaut der einzelnen Vorgaben. Insbesondere die Frage, ob die Emissionsbeteiligten als „Marktteilnehmer“ iSv § 1 Abs. 1 S. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG und die Vermarktung der Anleihe über grüne Zusatzdokumente als „geschäftliche Handlung“ iSv § 5 Abs. 1 UWG angesehen werden können, ist bisher ungeklärt. Dabei kommt es im Wesentlichen darauf an, ob die Veröffentlichungen der Absatzförderung als vorrangigem Zweck dienen.
Zumindest die Erfüllung rein gesetzlicher Publizitätsvorgaben wie beispielsweise die Erstellung der nicht-finanziellen Erklärung ist dabei wegen ihrer schwach absatzfördernden Wirkung nur in Einzelfällen als geschäftliche Handlung im Kontext mit wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen einzuordnen. Die künftig nach dem GBS-E zu machenden Angaben sind für Emittenten Europäischer Grüner Anleihen ebenfalls verbindlich und daher mit guten Gründen mit der nicht-finanziellen Erklärung vergleichbar. Dem wären Fälle gleichzustellen, in denen Emittenten anderer grüner Anleihen auf die gesetzlichen Musterdokumentationen des GBS-E zurückgreifen.
Der GBS-E dürfte erhebliche Auswirkungen auf alle Formen grüner Anleiheemissionen haben. Aufgrund des Prospekterfordernisses wird der Standard voraussichtlich vor allem für Daueremittenten, die auf Grundlage von Debt Issuance Programmen regelmäßig Anleihen emittieren, attraktiv sein. Da die Nutzung des Labels mit erhöhten Dokumentations- und Bewertungspflichten einhergeht und damit mit einer erheblichen Kostensteigerung verbunden ist, könnten mittelständische Emittenten von Stand-alone Bonds hingegen Zurückhaltung zeigen. Abzuwarten bleibt, ob der zusätzliche Kostenaufwand durch entsprechende Finanzierungsvorteile kompensiert wird. Die taxonomiekonforme Allokation von 85 % bzw. 100 % der Erlöse dürfte besonders Unternehmen aus CO2-intensiven Sektoren schwerfallen, die womöglich keinen ausreichenden Anteil taxonomiekonformer Verwendungszwecke aufweisen.
Emittenten Europäischer Grüner Anleihen und die externe Bewertung der Emission stehen nun erstmals unter einem hoheitlichen Aufsichtsregime. Grüne Anleiheemissionen nach den ICMA-Prinzipien sind hingegen auch künftig nicht gesetzlich reguliert. Emittenten von Sustainability-linked Bonds, für die kein EU-Label zur Verfügung steht, bietet der EU Gesetzgeber lediglich die Nutzung eines freiwilligen Dokumentationsmusters an. In Bezug auf diese Anleiheform besteht daher weiter kein regulatorischer Rahmen, was die Vergleichbarkeit für die Emittenten und Anleger erschweren könnte.
Die EU Kommission wird fünf Jahre nach der Anwendung des GSB-E erstmals über die Qualität und den Markt von Sustainability-linked Bonds Bericht erstatten (Art. 63 a Abs. 1 lit. i GBS-E). Auf Grundlage dessen könnten weitere gesetzgeberische Maßnahmen auf den Weg gebracht werden (vgl. Art. 63 a Abs. 2 und 3 GBS-E).
1.Der GBS-E enthält ein freiwilliges EU-Label für Europäische Grüne Anleihen. Für die Emission ist zwingend ein Wertpapierprospekt zu veröffentlichen. Der Entwurf beinhaltet im Verhältnis zur aktuellen Marktpraxis erhöhte Anforderungen an die Emission und Bewertung derartiger Instrumente. Eine weitere wesentliche Voraussetzung für diese Anleiheform ist daneben die taxonomiekonforme Erlösverwendung.
2.Emittenten von Sustainability-linked Bonds und Anleihen mit grüner Verwendungsabrede, die nicht als EU Green Bond vermarktet werden, werden auch weiter keiner verbindlichen gesetzlichen Regulierung unterliegen. Die Emission dieser Instrumente kann künftig auf freiwilliger Basis nach Mustervorlagen aus dem GBS-E dokumentiert werden.
3.Viele Inhalte des GBS-E finden sich bereits in der aktuellen Praxis zur Emission grüner Anleihen wieder. Dazu zählen ua die Aufstellung zusätzlicher Berichte und Dokumente vor und nach erfolgter Emission, die durch eine externe Stelle überprüft werden.
4.Das nach dem EU-Label zwingende Factsheet und die nach der Emission zu erstellenden Berichte folgen einheitlichen Mustern. Die externe Bewertung der Emission erfolgt durch bei der ESMA registrierte und durch sie überwachte Stellen. Emittenten Europäischer Grüner Anleihen unterliegen der Aufsicht der jeweils zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten.
5.Angesichts der voraussichtlich höheren Kosten der Emission Grüner Anleihen mit dem EU-Label im Verhältnis zum ICMA-Label und der freiwilligen Anwendbarkeit der VO ist schwer abzusehen, ob das EU Label tatsächlich zum neuen Marktstandard für Anleihen mit grüner Verwendungsabrede wird. Es dürfte zu einemeneinander beider Label kommen.
* Prof. Dr. iur. Michael Schlitt ist Partner in der Kanzlei Hogan Lovells International LLP und Honorarprofessor an der Universität zu Köln. Laura Esmaty ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kanzlei Hogan Lovells International LLP tätig und promoviert an der Universität zu Köln zum Thema "Green Bonds".
Authored by Michael Schlitt and Laura Esmaty.