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Der Bundesrat hat am 28. Mai 2021 dem vom Bundestag am 20. Mai 2021 verabschiedeten "Gesetz zum autonomen Fahren" (BT-Drucksache 19/27439) zugestimmt [1] und damit die Voraussetzungen für den Einsatz von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion geschaffen.
Das Gesetz ermöglicht den bundesweiten Regelbetrieb von führerlosen Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr in festgelegten Betriebsbereichen entsprechend der Stufe 4 der Kategorisierung der Society of Automotive Engineers (SAE). [2] Es knüpft nahtlos an das am 21. Juni 2017 in Kraft getretene "Gesetz zum automatisierten Fahren" an, welches den Einsatz hochautomatisierter Kraftfahrzeuge entsprechend der Stufe 3 regelt. [3]
Nachfolgend geben wir einen Überblick über die neuen Einsatzmöglichkeiten von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion, die technischen Voraussetzungen, die Pflichten der Beteiligten, das Haftungsrecht sowie datenschutzrechtliche Aspekte.
Mit den §§ 1d bis 1l StVG (neu) werden die Voraussetzungen für den Einsatz von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion in festgelegten Betriebsbereichen geschaffen. Ein Kraftfahrzeug mit autonomer Fahrfunktion ist dabei gemäß § 1d Abs. 1 StVG (neu) ein Kraftfahrzeug, das die Fahraufgabe ohne eine fahrzeugführende Person selbständig in einem festgelegten Betriebsbereich erfüllen kann.
Den denkbaren Einsatzmöglichkeiten von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion sind keine Grenzen gesetzt. Es muss lediglich vorher bestimmt werden, wo im öffentlichen Straßenraum das Fahrzeug eingesetzt wird. Als Beispiele für vollständig fahrerlose Fahrzeuge werden Shuttle-Verkehre, People-Mover, Hub2Hub-Verkehre und die Personenbeförderung in Randgebieten und/oder zu Randzeiten genannt.
Der Einsatz von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion erfordert eine vorherige Festlegung bestimmter Betriebsbereiche. Dies erfolgt durch den Halter und ist durch die nach Landesrecht zuständige Behörde zu genehmigen. Der Begriff der festgelegten Betriebsbereiche ist bewusst weit gefasst [4] und meint gemäß § 1d Abs. 2 StVG (neu) den örtlich und räumlich bestimmten öffentlichen Straßenraum, in dem ein Kraftfahrzeug mit autonomer Fahrfunktion bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 1e Abs. 1 StVG (neu) betrieben werden darf.
Die technischen Voraussetzungen, die ein Kraftfahrzeug mit autonomer Fahrfunktion erfüllen muss, werden in § 1e Abs. 2 Nrn. 1 bis 10 StVG (neu) aufgezählt. Die Erfüllung der Anforderungen an die technische Ausrüstung ist Voraussetzung für den Betrieb des Fahrzeugs nach § 1e Abs. 1 Nr. 1 StVG (neu) und für die Erteilung der Betriebserlaubnis nach § 1e Abs. 4 StVG (neu).
Das Fahrzeug muss insbesondere dazu in der Lage sein, selbständig das Fahrzeug zu steuern, dabei die an die Fahrzeugführung gerichteten Verkehrsvorschriften einzuhalten und sich in einen risikominimalen Zustand im Sinne des § 1 Abs. 4 StVG (neu) zu versetzen.
§ 1f StVG (neu) statuiert die grundlegenden Pflichten, die der Halter, die Technische Aufsicht und der Hersteller erfüllen müssen.
Den Halter treffen insbesondere erhöhte Sorgfaltspflichten. Neu eingeführt wird die sogenannte Technische Aufsicht, die für den laufenden Betrieb verantwortlich ist. Technische Aufsicht ist gemäß § 1d Abs. 3 StVG (neu) diejenige natürliche Person, die im Einzelfall von außen eine Deaktivierung des Kraftfahrzeugs oder eine Freigabe von Fahrmanövern vornehmen kann, soweit dies erforderlich ist. Einer ständigen Überwachung bedarf es nicht. [5] Auf den Hersteller kommen in erster Linie Nachweis-, Informations- und Schulungspflichten zu. Er muss Maßnahmen zur Vermeidung von (Hacker-)Angriffen auf die elektronische und elektrische Architektur treffen.
Im Haftungsrecht des StVG ändert sich formell nur wenig. So bleibt insbesondere die Halterhaftung aus § 7 StVG erhalten. Gleichwohl warten neue Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt.
Mangels Fahrzeugführers entfällt bei Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion grundsätzlich eine Haftung aus § 18 StVG.
Delegiert der Halter die Aufgaben der Technischen Aufsicht, muss er sich regelmäßig ein etwaiges Verschulden der betrauten natürlichen Person zurechnen lassen. [6] Auch für diese muss er in Zukunft gemäß § 1 S. 2 PflVG (neu) eine Haftpflichtversicherung abschließen und aufrechterhalten.
Daneben könnte die Produkt- und Produzentenhaftung des Herstellers an Bedeutung gewinnen, wenn für einen Unfall das führerlose Fahrzeug verantwortlich sein sollte.
Mit § 1g StGV (neu) erhält das StVG datenschutzrechtliche Regelungen in Bezug auf autonomes Fahren der Stufe 4. Zweck der Norm ist es insbesondere, die Verarbeitung personenbezogener Fahrzeugdaten durch das Kraftfahrt-Bundesamt („KBA“) und die zuständigen Landesbehörden zu ermöglichen. § 1g Abs. 1 StGV (neu) statuiert die Pflicht des Halters eines Kraftfahrzeuges mit autonomer Fahrfunktion bestimmte in der Norm abschließend genannte Fahrzeugdaten (u.a. Fahrzeugidentifizierungsnummer, Positionsdaten und Geschwindigkeit) beim Betrieb des Fahrzeugs zu speichern. Im Sinne der Prinzipien der Datenminimierung- und Sparsamkeit wird die Pflicht zur Speicherung durch Absatz 2 auf bestimmte sicherheitsrelevante Anlässe (u.a. Konfliktszenarien, Störungen im Betriebsablauf) beschränkt. Die gespeicherten Daten muss der Halter auf Verlangen dem KBA und den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Behörden zum Zweck der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben, insbesondere die Überwachung des sicheren Betriebs des Kraftfahrzeugs durch das KBA (§ 1g Abs. 4 StVG (neu)), übermitteln.
Nach der Gesetzesbegründung basiert die Regelung auf dem Verständnis, dass es sich bei den zu speichernden und übermittelnden Fahrzeugdaten um personenbezogene Daten des Halters handelt und dieser insoweit die betroffene Person im datenschutzrechtlichen Sinne ist. § 1g StGV (neu) schafft damit für die genannten Behörden eine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage (im Sinne des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c) DSGVO) für die Verarbeitung der personenbezogenen Fahrzeugdaten des Halters.
§ 1g Abs. 3 StVG (neu) verpflichtet den Fahrzeughersteller, dem Halter die Speicherung und Übermittlung der Fahrzeugdaten tatsächlich zu ermöglichen, über die Einstellungsoptionen zur Privatsphäre und Datenverarbeitung "präzise, klar und in leichter Sprache" zu informieren und die Softwaregestaltung gemäß dem Grundsatz "Privacy by Design" im Sinne des Art. 25 DSGVO vorzunehmen.
Zudem wird durch § 1g Abs. 7 StVG (neu) Dritten ein Auskunftsanspruch gegen den Halter bezogen auf die gemäß der Absätze 1 und 2 zu speichernden Fahrzeugdaten gewährt, soweit dies zur Geltendmachung, Befriedigung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit einem in Absatz 1 genannten Ereignis erforderlich ist und das Fahrzeug mit autonomer Fahrfunktion an diesem Ereignis beteiligt war.
Es ist damit zu rechnen, dass das Gesetz nunmehr zeitnah in Kraft tritt.
Deutschland nimmt damit eine Vorreiterrolle im Bereich des autonomen Fahrens ein. Das "Gesetz zum autonomen Fahren" ist als Zwischenlösung konzipiert, bis auf EU- und UNECE-Ebene entsprechende harmonisierte Vorschriften existieren. [7] Der Fortentwicklung des rechtlichen Rahmens dient auch die in § 1l StVG (neu) nach Ablauf des Jahres 2023 vorgesehene Evaluierung der Vorschriften. [8]
Verfasst von Tobias Ackermann, David Bamberg und Jakob Theurer.
[1] BR-Drucksache 430/21 (Beschluss).
[2] BT-Drucksache 19/27439, S. 15 f. Die fünf Stufen der SAE sind assistiertes Fahren (Stufe 1), teilautomatisiertes Fahren (Stufe 2), hochautomatisiertes Fahren (Stufe 3), vollautomatisiertes Fahren (Stufe 4) sowie autonomes Fahren (Stufe 5), vgl. https://www.sae.org/standards/content/j3016_202104/.
[3] Achtes Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrs vom 16. Juni 2017, BGBl. I S. 1648.
[4] BT-Drucksache 19/27439, S. 20.
[5] BT-Drucksache 19/27439, S. 20.
[6] BT-Drucksache 19/27439, S. 25.
[7] BT-Drucksache 19/27439, S. 1.
[8] BT-Drucksache 19/27439, S. 31.