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Die Bundesregierung hat am 23. Februar 2022 die "Verordnung zur Regelung des Betriebs von Kraftfahrzeugen mit automatisierter und autonomer Fahrfunktion und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften" ("Verordnung") verabschiedet.
Die Verordnung baut auf dem Gesetz zum autonomen Fahren vom 12. Juli 2021 auf. Das Gesetz zum autonomen Fahren ermöglicht den bundesweiten Regelbetrieb von führerlosen Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr in festgelegten Betriebsbereichen entsprechend der Stufe 4 der Kategorisierung der Society of Automotive Engineers (SAE).
Die Verordnung ergänzt nun das Gesetz zum autonomen Fahren insbesondere um die technischen Anforderungen an Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion sowie die Verfahrensregelungen über die Erteilung der Betriebserlaubnis und Zulassung. Zudem werden auch die Sorgfaltsvorschriften für die am Betrieb von autonomen Kraftfahrzeugen beteiligten Personen näher definiert. Der deutsche Gesetzgeber schafft mit der Verordnung einen weiteren wichtigen Baustein für den Betrieb autonomer Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr.
Mit der Änderung des StVG im Juli 2021 (siehe den Engage-Beitrag hierzu) wurde ein dreistufiges Verfahren für den Betrieb und die Zulassung von Fahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion eingeführt. Dieses Verfahren soll nun durch die neue Verordnung weiter konkretisiert werden. In einem ersten Schritt muss der Hersteller des Fahrzeugs nach § 1 Abs. 4 StVG und § 3 der Verordnung eine Betriebserlaubnis beim Kraftfahrt-Bundesamt beantragen. Im zweiten Schritt bestimmt der Halter des Fahrzeugs einen festgelegten Betriebsbereich für den Betrieb des Fahrzeugs. Der Betriebsbereich muss dann von der nach Landesrecht zuständigen Behörde genehmigt werden. Die Genehmigung des festgelegten Betriebsbereichs kann gemeinsam für mehrere baugleiche Fahrzeuge erteilt werden. Im dritten Schritt erfolgt dann die Zulassung des Fahrzeugs mit autonomer Fahrfunktion durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens nach § 1 Abs. 1 StVG.
Hersteller müssen umfassende Anforderungen bei der Herstellung autonomer Kraftfahrzeuge beachten. § 1f Abs. 3 StVG normiert hierfür die grundlegenden Pflichten des Herstellers. Insbesondere treffen den Hersteller danach Nachweis-, Informations- und Schulungspflichten. Der Pflichtenkatalog des § 1f Abs. 3 StVG wird nun durch § 12 der Verordnung konkretisiert und erweitert. Den Hersteller eines Kraftfahrzeugs mit autonomer Fahrfunktion treffen danach insbesondere die folgenden Pflichten:
Das StVG und die Verordnung sehen keine (eigene) Anspruchsgrundlage für etwaige Haftungsansprüche gegen den Hersteller eines Kraftfahrzeugs mit autonomer Fahrfunktion vor. Allerdings wird die Produkt- und Produzentenhaftung des Fahrzeugherstellers maßgeblich durch die Anforderungen des StVG beeinflusst. Eine Haftung des Herstellers kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn er seinen Pflichten nach § 12 der Verordnung nicht (ausreichend) nachkommt und hierdurch ein Verkehrsunfall mitverursacht wird. Dabei könnten im Rahmen der Produkt- und Produzentenhaftung insbesondere Instruktionsfehler, sowie Verstöße gegen die Produktbeobachtungspflichten in Betracht kommen (z.B. durch unzureichende Reparatur- und Wartungsinformationen oder Sicherheitskonzepte).
Verstößt der Hersteller gegen die ihm neu auferlegten Pflichten, so kann dies – neben den haftungsrechtlichen Folgen – auch als Ordnungswidrigkeit nach § 17 Nr. 4 der Verordnung in Verbindung mit § 24 Abs. 1 StVG geahndet werden. Der Hersteller handelt ordnungswidrig, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig das Sicherheitskonzept zur funktionalen Sicherheit, das Sicherheitskonzept im Bereich der Informationstechnologie oder das Betriebshandbuch nach § 1f Abs. 3 Nr. 4 StVG dem Halter bei Übergabe des Kraftfahrzeugs nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt. Zudem begeht der Hersteller eine Ordnungswidrigkeit nach § 17 Nr. 2 der Verordnung, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig dem Kraftfahrt-Bundesamt auf Verlangen die für die Marktüberwachung erforderlichen Unterlagen und Informationen nicht zur Verfügung stellt. Die Geldbuße kann sich dabei jeweils grundsätzlich auf bis zu 1.000,- EUR belaufen, vgl. § 17 Abs. 1 OWiG. Unter Umständen besteht ggf. auch das Risiko einer weitergehenden Gewinnabschöpfung, vgl. § 17 Abs. 4 OWiG.
Der Halter des Kraftfahrzeugs mit autonomer Fahrfunktion ist generell für die Erhaltung der Verkehrssicherheit und Umweltverträglichkeit des Kraftfahrzeugs verantwortlich und hat die hierfür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Diese generellen Anforderungen aus § 1f Abs. 1 StVG werden nun durch § 13 der Verordnung konkretisiert und deutlich erweitert. Den Halter eines Kraftfahrzeugs mit autonomer Fahrfunktion treffen danach insbesondere die folgenden Pflichten:
Die Haftung des Halters autonomer Fahrzeuge wird durch den konkretisierten Pflichtenkatalog nicht unmittelbar verändert und erweitert. Grundsätzlich haftet der Fahrzeughalter bereits nach § 7 Abs. 1 StVG verschuldensunabhängig für alle Schäden aus Verkehrsunfällen, in denen das gehaltene Fahrzeug beteiligt ist. Die spezifischen Pflichten des Halters können hierbei jedoch im Rahmen der Zurechnung von Schadensverursachungsbeiträgen Berücksichtigung finden. Die Beiträge an der Schadensverursachung werden grundsätzlich immer dann berücksichtigt, wenn Schäden durch mehrere Kraftfahrzeuge gemeinschaftlich verursacht wurden (z.B. Zusammenstoß zweier Fahrzeuge). In derartigen Fällen haften die beteiligten Fahrzeughalter untereinander abhängig von ihren jeweiligen Schadensverursachungsbeiträgen. Sollte ein Halter eines Kraftfahrzeugs mit autonomer Fahrfunktion seine Pflichten nicht (ausreichend) erfüllt haben, könnte dies im Rahmen der Schadensverursachungsbeiträge berücksichtigt werden. Der Halter müsste in der Konsequenz eine entsprechend höhere Quote des verursachten Schadens tragen.
Auch für den Halter kann eine Missachtung der ihm neu auferlegten Pflichten nicht nur haftungsrechtliche Konsequenzen haben, sondern auch als Ordnungswidrigkeit nach § 17 der Verordnung in Verbindung mit § 24 Abs. 1 StVG geahndet werden. So begeht der Halter beispielsweise eine Ordnungswidrigkeit, wenn er ein Kraftfahrzeug mit autonomer Fahrfunktion ohne die erforderliche Betriebserlaubnis oder außerhalb des festgelegten Betriebsbereichs betreibt. Zudem begeht auch der Halter eine Ordnungswidrigkeit, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig dem Kraftfahrt-Bundesamt auf Verlangen die für die Marktüberwachung erforderlichen Unterlagen und Informationen nicht zur Verfügung stellt. Die Geldbuße kann sich auch hier jeweils auf bis zu 1.000,- EUR belaufen, vgl. § 17 Abs 1 OWiG. Unter Umständen besteht ggf. auch das Risiko einer weitergehenden Gewinnabschöpfung, vgl. § 17 Abs. 4 OWiG.
Die Verordnung klärt einige Fragen, die das Gesetz zum autonomen Fahren noch offen gelassen hat. Deutschland schafft damit nun erstmals die rechtliche Grundlage für den Einsatz von fahrerlosen Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb und örtlich begrenzt auf vorher festgelegten Betriebsbereichen. Deutschland nimmt damit tatsächlich die beabsichtigte Vorreiterrolle bei der Schaffung eines Rechtsrahmens für den Einsatz von Fahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion ein. Die deutsche Rechtslage könnte damit auch als Blaupause für entsprechende Regelungen in anderen Ländern dienen.
Für das Inkrafttreten der Verordnung muss nun noch der Bundesrat zustimmen. Diese Zustimmung des Bundesrates steht bisher noch aus.
Verfasst von Sebastian Polly, Tobias Ackermann, Manuel Golling und Franziska Zeiler