Hogan Lovells 2024 Election Impact and Congressional Outlook Report
15 November 2024
Deutschland befindet sich in einer Energiekrise. Mit Sorge blicken derzeit viele Vermieter und Mieter auf die kalte Jahreszeit und die bald beginnende Heizperiode. Die Preise für Erdgas und Heizöl schießen durch die Decke, die Bundesregierung hat die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen und die Bundesregierung schwört Unternehmen und die Bevölkerung gleichermaßen auf das Energiesparen ein. Das Motto der Stunde lautet: Die beste Energie ist die, die gar nicht erst verbraucht wird.
Die Gasversorgung in Deutschland steht bereits seit Beginn des Ukraine-Krieges im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine wurde das Genehmigungsverfahren für Nord Stream 2 auf Eis gelegt; nach anfänglichen Reduzierungen und wartungsbedingten Unterbrechungen des Gasbezugs über Nord Stream 1 wurde der Betrieb der Gaspipeline vom Betreiber Gazprom zudem jüngst für unbestimmte Zeit ausgesetzt. Ein Ersatz für die ausfallenden Gaslieferungen ist in wenigen Monaten nicht zu beschaffen – ein Wettlauf gegen die heranziehende kalte Jahreszeit hat begonnen.
Angesichts der Gasverknappung am Markt betont die Bundesnetzagentur, dass die Gasversorgung in Deutschland im Moment zwar stabil und die Versorgungssicherheit derzeit gewährleistet ist. Die Lage sei jedoch angespannt und eine weitere Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden. Maßgeblich werden insbesondere nach Aussage des Behördenchefs der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, die Witterungsverhältnisse, damit einhergehend das private Heizverhalten und die Situation in den Nachbarländern sein. Alle drei Faktoren lassen sich jedoch nicht verlässlich vorhersagen. Ob es zu einer Gasmangellage im Winter kommt, ist mithin offen.
Für den Fall einer Gasmangellage hat die Bundesregierung indes vorgesorgt. Liegt eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas, eine erhebliche Störung der Gasversorgung oder eine andere beträchtliche Verschlechterung der Versorgungslage vor, die nicht durch marktbasierte Maßnahmen kompensiert werden kann, wird die dritte Eskalationsstufe des Notfallplans Gas von der Bundesregierung ausgerufen – die sog. Notfallstufe. Das Ausrufen der Notfallstufe bedeutet, dass der Staat zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in das Marktgeschehen eingreift und die Bundesnetzagentur als sog. Bundeslastverteiler in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern die Verteilung von Gas übernimmt.
Der Bundesnetzagentur steht dabei in der Notfallstufe ein weitreichender Handlungsspielraum zu. Maßnahmen, beispielsweise in Form von Gasverbrauchsreduktionen, können grundsätzlich sowohl gegen Vermieter als auch gegen Mieter angeordnet werden, sofern es sich bei diesen nicht um geschützte Letztverbraucher handelt.
Sowohl Vermieter als auch Mieter sind daher gut beraten, Vorsorge zu treffen, um von einer Gasmangellage nicht kalt erwischt zu werden.
Grundsätzlich ist es Sache des Vermieters, die Mietsache ausreichend mit Wärme zu versorgen. Von diesem Grundsatz wird jedoch im Gewerberaummietrecht nicht selten abgewichen.
Insbesondere bei Single Tenant-Objekten kann es vorkommen, dass der Mieter selbst Betreiber der zentralen Heizungsanlage in der Liegenschaft ist und seine Mietsache selbst mit Wärme versorgt. Durchaus nicht selten anzutreffen sind zudem Klauseln in Gewerberaummietverträgen, die vorsehen, dass der Mieter die Versorgungsleistungen für die Mietsache durch einen direkten Vertrag unmittelbar vom Versorger selbst zu beziehen hat.
Selbst wenn zudem der Vermieter einen Versorgungsvertrag mit dem Versorger für die Mietsache unterhält, kann die Auslegung des Mietvertrages im Einzelfall zu dem Ergebnis führen, dass sich die Verpflichtung des Vermieters in dem Vertragsabschluss mit dem Versorger und der Bereitstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen für die Weiterleitung der Wärme erschöpft. Eine Versorgung der Mietsache mit Wärme als solches, gehört in diesem Fall dann nicht zum Pflichtenprogramm des Vermieters.
Auf die Frage, wer im Mietvertrag für die Wärmeversorgung der Mietsache zuständig ist, gibt es zumindest im Gewerberaummietrecht mithin keine pauschale Antwort. Reflexartig neigt man dazu, die Verantwortlichkeit beim Vermieter zu suchen. Dies mag im Ansatz zunächst zutreffend sein, befreit jedoch in keinem Fall von dem notwendigen "Blick" in den Mietvertrag unter Einbeziehung der jeweiligen Begleitumstände.
Wurde die Frage nach der Verantwortlichkeit für die Wärmeversorgung in der Mietsache geklärt, ist das Augenmerk auf die Ursache für die Beeinträchtigung der Wärmeversorgung zu legen.
Als mögliche Ursache käme – soweit dies zum aktuellen Zeitpunkt eingeschätzt werden kann – zunächst eine rein faktische Einstellung der Gasbelieferung seitens des zuständigen Versorgers mangels verfügbarer Gasressourcen am Markt und eine daraus resultierende Beeinträchtigung der Wärmeversorgung in der betroffenen Liegenschaft in Betracht. Anders als zum Beispiel ein Ausfall in der Elektrizitätsversorgung ist eine Gasmangellage jedoch kein abrupt eintretendes, sondern ein sich relativ langsam aufbauendes Ereignis. Bei einer sich abzeichnenden Gasmangellage würden zunächst die über das Bundesgebiet verteilten Erdgasspeicher als Puffer fungieren und der Bundesregierung und den zuständigen Behörden eine Vorwarnzeit von einigen Tagen verschaffen, um die notwendigen Maßnahmen zum Gegensteuern einzuleiten und die Notfallstufe im Rahmen des Notfallplans Gas auszurufen. Insofern dürfte eine rein faktische Einstellung der Gasbelieferung durch den Versorger nicht das wahrscheinliche Szenario sein. Sollte es wider Erwarten dennoch zu dieser Situation kommen, besteht jedoch das Risiko, dass jene Vermieter, denen die Wärmeversorgung für die Mietsache laut Mietvertrag obliegt, sich Ansprüchen des Mieters ausgesetzt sehen. In Betracht kämen insbesondere die Geltendmachung von Mietminderungen oder Ersatzvornahmen. Schadensersatzansprüche des Mieters dürften hingegen allenfalls im Einzelfall zum Tragen kommen, da es regelmäßig an einem Verschulden des Vermieters fehlen wird.
Wahrscheinlicher erscheint im Falle einer Gasmangellage die Anordnung einer Gasverbrauchsreduktion durch die Bundesnetzagentur im Rahmen der Notfallstufe des Notfallplans Gas per Allgemein- oder Individualverfügung. Adressat einer solchen Verfügung kann sowohl der Vermieter als auch der Mieter sein. Wen genau es treffen würde, lässt sich im Vorfeld einer Gasmangellage jedoch nicht mit Sicherheit sagen. Die Bundesnetzagentur lässt sich insoweit nicht in die Karten schauen und betont, dass die zu treffenden Maßnahmen situativ anhand bestimmter Abwägungskriterien getroffen werden und es keine feste Abschaltreihenfolge in Bezug auf einzelne Verbraucher oder Branchen gibt. Auch sog. geschützte Kunden genießen keinen absoluten Schutz und können im Ausnahmefall Adressat einer entsprechenden Verfügung der Bundesnetzagentur sein.
Sofern der Vermieter – beispielsweise als Betreiber einer zentralen gasbefeuerten Heizungsanlage – Adressat einer Anordnung zur Reduzierung des Gasverbrauchs wäre und dieser vertraglich die Wärmeversorgung der an dieser Heizungsanlage angeschlossenen Mieter schuldet, besteht das Risiko, dass durch die anordnungsbedingte Beeinträchtigung der Wärmeversorgung in der Liegenschaft wiederum Ansprüche der Mieter im genannten Umfang ausgelöst werden. In diesem Fall können mietvertragliche Haftungsbeschränkungen des Vermieters – so diese denn wirksam vereinbart wurden – den Rettungsanker für den in Anspruch genommenen Vermieter darstellen.
Anders verhält es sich jedoch, wenn der Mieter selbst Adressat einer Anordnung zur Reduzierung des Gasverbrauchs ist. In dieser Konstellation werden Erinnerungen an die behördlich angeordneten Lockdowns während der Corona-Pandemie wach. Der Vermieter könnte und dürfte die Mietsache grundsätzlich weiterhin im gewohnten Umfang beheizen. Der Mieter als Adressat der Verfügung wäre jedoch rechtlich gehalten, seine innerbetrieblichen Abläufe in der Mietsache dergestalt anzupassen, dass dem behördlich angeordneten Gasreduktionsziel entsprechend Rechnung getragen wird. Eine derartige Verfügung würde demnach voraussichtlich das Verwendungsrisiko des Mieters an der Mietsache betreffen und wäre dann nicht geeignet, Mängelansprüche gegenüber dem Vermieter auszulösen.
Die Erdgasspeicher sind aktuell gut befüllt und es wird weiter Gas eingespeichert. Der Gesamtspeicherstand in Deutschland lag am 19. September 2022 bei 89,67 % und liegt damit bereits deutlich über der für den 1. Oktober 2022 festgeschriebenen Zielmarke von 85 %.
Dies nährt die Hoffnung, dass der deutsche Gasmarkt noch einmal mit einem blauen Auge davonkommt und es nicht zu einer Gasmangellage im nahenden Winter kommt. Die Lage am Gasmarkt kann sich mit zunehmend sinkenden Außentemperaturen jedoch schnell gegenläufig entwickeln. Je kälter der kommende Winter, desto düsterer werden die Prognosen.
Angesichts der bestehenden tatsächlichen als auch rechtlichen Unwägbarkeiten und den daraus resultierenden Risiken, scheint das Prinzip Hoffnung kein guter Ratgeber zu sein. Vermieter und Mieter tun gut daran, sich auf eine mögliche Gasmangellage im kommenden Winter vorzubereiten.
Zu denken ist in diesem Zusammenhang insbesondere an die Identifizierung und Umsetzung möglicher Energieeinsparmaßnahmen in der jeweiligen Liegenschaft und die Vorbereitung der innerbetrieblichen Abläufe auf eine ggf. eingeschränkte Wärmeversorgung im Winter. Wichtige Mietverträge sollten zudem einer Prüfung in Bezug auf die Verantwortlichkeit für die Wärmeversorgung und die Wirksamkeit etwaiger Haftungsbeschränkungen unterzogen werden. Wer bereits zum aktuellen Zeitpunkt Aufwendungen tätigen muss, um etwaigen Risiken bei einer Störung der Wärmeversorgung im Winter vorzubeugen (z. B. Erwerb/Anmietung von Ersatzheizgeräten) und seinen Mietvertragspartner an den Kosten beteiligen will, sollte dies im Übrigen im Rahmen eines schriftformkonformen Nachtrags zu dem Mietvertrag regeln. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass der Mietvertrag aufgrund einer Verletzung der gesetzlichen Schriftform entfristet und somit ordentlich kündbar wird. Aus Vermietersicht kommt zudem hinzu, dass derartige Aufwendungen für Vorsorgemaßnahmen ohne gesonderte Umlagevereinbarung regelmäßig nicht wirksam auf den Mieter umgelegt werden können.
Verfasst von Ulrike Janssen, André Lohde und Johanna Emmerich