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Insolvenzen von Pflegeheimbetreibern – was passiert mit Oma, dem Miet-/Pachtverhältnis und dem Betrieb?

In den letzten Wochen haben in Deutschland zwei größere Betreiber der stationären Pflege und von  betreutem Wohnen Insolvenz angemeldet. Auch wenn dies aus unserer Sicht nur Einzelfälle sind und kein Krankheitssyndrom der Pflegebranche darstellt, geben diese Fälle Anlass für eine kurze rechtliche Orientierung wie sich solche Insolvenzen auf alle Leistungsbeziehungen auswirken.

Auswirkungen auf Miet- und Pachtverhältnisse

Nachfolgende Erwägungen gelten dabei gleichermaßen für Pachtverhältnisse, wenngleich die Darstellung der leichteren Lesbarkeit halber nur für Mietverhältnisse erfolgt. 

Das allgemeine Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gilt bei Mietverhältnissen nicht. Mietverhältnisse des Betreibers bestehen grundsätzlich fort. Damit soll auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass insbesondere im Falle eines auf Fortführung ausgerichteten Insolvenzverfahrens (im Gegensatz zur Zerschlagung im Rahmen der Insolvenz) die weitere Nutzung des Mietobjekts essenziell ist.

Für Vermieter führt dies nur zu kurzem Aufatmen, da der Insolvenzverwalter den Mietvertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen kann. Er hat damit ein starkes Schwert in der Hand, um defizitäre Standorte zu schließen und Neuverhandlungen über die Miethöhe zu erzwingen.

Der Vermieter kann seinerseits wegen ausstehender Mieten aus der Zeit vor Insolvenzantragstellung oder der Insolvenz des Mieters nicht einfach kündigen selbst wenn dies so im Vertrag stehen sollte und selbst wenn der Mieter bei Insolvenzantragstellung mit zwei Monatsmieten im Rückstand war. Kündigungen aus anderen Gründen sowie zu diesem Zeitpunkt bereits ausgesprochene Kündigungen bleiben allerdings wirksam. Der Vermieter muss abwarten, ob der Mieter nach Insolvenzantragstellung erneut in Rückstand gerät, was bei Planinsolvenzverfahren stark von der Attraktivität des Mietobjekts für die Insolvenzmasse sowie der Verfügbarkeit der Insolvenzmasse abhängt. Eine Kündigung des Mietvertrages im laufenden Betrieb bleibt für Vermieter zumeist auch die wirtschaftlich schlechtere Alternative.

Der Vermieter kann Ansprüche aus der Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Massegläubiger geltend machen, wird also vorrangig vor Insolvenzgläubigern und vor allem vollständig befriedigt, sofern hinreichend Masse vorhanden ist. Ansprüche für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann er nur als Insolvenzgläubiger geltend machen und wird daher nur mit der Insolvenzquote befriedigt.

Wichtig für die Verhandlungsdynamik ist, dass der Insolvenzverwalter selbst entscheiden kann, wann er kündigt. Er kann also bei einzelnen Standorten abwarten ob er einen Übernehmer des Betriebes findet. Der Vermieter wird hingegen schon im eigenen Interesse möglichst schnell Klarheit über den Fortbestand des Mietvertrags haben wollen. Seine finanzierende Bank wird ihn auch häufig danach fragen.

Auswirkung auf Heimverträge nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz

Der Heimbewohner und seine Angehörigen sehen sich im Falle der Insolvenz des Pflegeheims mit der Frage konfrontiert, ob der Bewohner in dem Pflegeheim weiterhin wohnen kann oder sich nach einem neuen Pflegplatz umsehen muss.

Was passiert nun mit dem Heimvertrag, wenn der Heimträger zahlungsunfähig wird und einen Insolvenzantrag stellt?

Der Heimvertrag ist ein Vertrag zwischen dem Heimträger und dem Bewohner, in dem die Überlassung von Wohnraum mit der Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen verbunden ist, die der Bewältigung eines durch Alter, Pflegebedürftigkeit oder Behinderung bedingten Hilfsbedarfs dienen. Liegt ein solcher Vertrag vor, findet das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) Anwendung (§ 1 WBVG), welches als Verbraucherschutzgesetz konzipiert ist. Der besondere Schutzbedarf ergibt sich aus der Abhängigkeit des Heimbewohners von dem Heimträger. Der Schutzbedarf wird dadurch verstärkt, dass es sich in der Regel um eine langfristige Entscheidung des Heimbewohners zum Lebensmittelpunkt handelt.

Die Stellung des Insolvenzantrags durch den Heimträger berührt für sich genommen den Bestand des Heimvertrages nicht. Insoweit bleiben sowohl der Heimträger als auch der Heimbewohner an den (unverändert) bestehenden Heimvertrag und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten gebunden. Nach der sogenannten „Undurchsetzbarkeitstheorie“ des Bundesgerichtshofs bewirkt auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine materiell-rechtliche Umgestaltung des Heimvertrages. Die Verfahrenseröffnung führt vielmehr zu einer Undurchsetzbarkeit sich gegenüberstehender Ansprüche. Dies bedeutet, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Bestand und Inhalt des einzelnen Heimvertrages zwar unverändert bleibt, die Rechte und Pflichten aus diesem jedoch nicht mehr gegenüber dem Heimträger durchgesetzt werden können. Der Heimvertrag befindet sich ab diesem Zeitpunkt in einem Schwebezustand.

Die Entscheidung über die Beendigung des Schwebezustands obliegt dem Insolvenzverwalter. Dieser hat ein Wahlrecht, ob die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossenen Heimverträge zu erfüllen sind (Erfüllungswahl) oder nicht (Erfüllungsablehnung).  Eine Sonderregelung, nach der ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters ausgeschlossen ist, sieht die Insolvenzordnung für Heimverträge – anders als beispielsweise für Mietverträge – nicht vor. Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung, so werden die Ansprüche des Heimbewohners aus dem Heimvertrag zur Masseforderung bzw. Masseverbindlichkeit; der Vertrag wird wie geschlossen weiter durchgeführt. Veräußert der Insolvenzverwalter sodann das Pflegeheim an einen Dritten, tritt dieser in die Rechte und Pflichten des Heimträgers ein (§ 5 WBVG).

Lehnt der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung ab, bleiben die Ansprüche des Heimbewohners gegen den Heimträger undurchsetzbar. Der Heimbewohner kann in diesem Fall lediglich seine materiell-rechtlichen Nichterfüllungsansprüche im Rang einer Insolvenzforderung geltend machen. Wird der Betrieb des Pflegeheims aufgrund der Erfüllungsablehnung dauerhaft eingestellt, kann der Insolvenzverwalter – anstelle des Heimträgers – den Heimvertrag kündigen (§ 12 WBVG). In diesem Fall steht dem Heimbewohner kein weitergehender Schutz zu und er muss sich langfristig nach einem neuen Pflegeplatz umsehen.

Gemäß des Verbraucherschutzgedankens sollen dem Heimbewohner durch die Betriebseinstellung und daraufhin erklärte Kündigung jedoch keine finanziellen Nachteile entstehen. Aus diesem Grund hat der Heimträger dem Heimbewohner eine vergleichbare anderweitige Unterkunft und Betreuung nachzuweisen sowie die Umzugskosten in das neue Pflegeheim in einem angemessenen Umfang zu ersetzen (§ 13 WBVG). Den Umzug hat der Heimbewohner dennoch selbst zu organisieren; insoweit hat der Heimbewohner gegen den Heimträger einen Freistellungsanspruch.

Bis der Heimträger dem Heimbewohner einen Ersatzpflegeplatz nachgewiesen hat, ist ein gegen den Heimbewohner gerichteter Räumungsanspruch nicht fällig. Auf diese Weise wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Heimträger die Erwartung des Heimbewohners, ihm einen angemessenen Platz für seinen Lebensabend zu verschaffen, enttäuscht hat.

Im Ergebnis besteht also kein Grund zu Panik. Es ist unseres Wissens noch nie vorgekommen, dass ein Heimbewohner obdachlos geworden ist. Selbst bei Schließung von Einrichtungen wird im Zusammenwirken von Insolvenzverwaltung, Heimaufsicht und anderen Betreibern ein alternativer Pflegeplatz beschafft. Die Umzugskosten fallen den Angehörigen nicht zur Last solange die Insolvenz nicht masselos ist.

Auswirkungen auf Versorgungsverträge und im Verhältnis zur Heimaufsicht

Für den Fall der Insolvenz des Betreibers sehen die Heimgesetze einiger Bundesländer eine Anzeigepflicht an die zuständige Heimaufsicht vor. In Nordrhein-Westfalen besteht bspw. die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige auch bereits bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Pflegeheimbetreibers und zwar unabhängig davon, ob der Betreiber deswegen freiwillig das Insolvenzverfahren beantragt hat oder nicht.

Die Heimaufsicht wird durch die Anzeigepflicht in die Lage versetzt, die adäquate Versorgung der Bewohner durch eine engmaschige Überwachung der Einrichtung zu gewährleisten. In der Praxis bringt sie sich in diesen Fällen regelmäßig auch bei der Vermittlung der von der Insolvenz betroffenen Heimbewohner an andere Pflegeeinrichtungen ein, ohne dass hierauf ein Anspruch gegenüber der Heimaufsicht besteht.

Im Falle der Insolvenz des Betreibers droht zudem die außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrags durch die Landesverbände der Pflegekassen. Die Kündigung wird in der Regel dann ausgesprochen, wenn der Betreiber aufgrund der Insolvenz nicht mehr über die finanziellen Ressourcen verfügt, um die notwendigen Personal- und Sachkosten zu decken. Dies kann, muss aber nicht zwingend in der Insolvenz des Betreibers der Fall sein. Die Kündigung des Versorgungsvertrags führt zu einem Wegfall der Zulassung des Betreibers zur Leistungserbringung und damit zu einer faktischen Beendigung des Pflegeheimbetriebs. Die Bemühungen der Insolvenzverwaltung werden also zuvorderst darauf gerichtet sein, die Leistungsfähigkeit des Betreibers zu dokumentieren. Dies ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Pflegebetrieb aufrecht erhalten werden kann bzw. der Betrieb für einzelne Einrichtungen oder Cluster von Einrichtungen veräußert werden kann.

Auswirkungen auf die Mitarbeiter*innen

Nicht nur die Bewohner eines insolventen Pflegeheims fragen sich, welches Schicksal auf sie wartet. Auch die Mitarbeiter*innen des Pflegeheims machen sich Gedanken um ihr Arbeitsverhältnis und ihre berufliche Zukunft.

Das Arbeitsverhältnis kann dabei durchaus auf dem Spiel stehen: Der Insolvenzverwalter kann entscheiden, die Einrichtung zu schließen. In diesem Fall wird er regelmäßig auch von einer verkürzten Kündigungsfrist Gebrauch machen und die Arbeitsverhältnisse mit einer Frist von maximal drei Monaten kündigen – und zwar unabhängig davon, ob längere Fristen vertraglich vereinbart wurden.

Schließt der Insolvenzverwalter die Einrichtung, stellt dies eine so genannte Betriebsänderung dar. Sofern ein Betriebsrat besteht, muss der Insolvenzverwalter in diesem Fall mit dem Betriebsrat insbesondere einen Sozialplan vereinbaren, in dem Maßnahmen für den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile der Mitarbeiter*innen festgelegt werden. Dabei handelt es sich in aller Regel um Abfindungen für Mitarbeiter*innen, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Zu beachten ist allerdings, dass der Sozialplan im Insolvenzfall gewissen Höchstgrenzen unterliegt, die die Abfindungsleistungen summenmäßig beschränken.

Da Mitarbeiter*innen in der Pflegebranche sehr gefragt sind, ist aber selbst im Falle der Betriebsstillegung das Risiko einer längeren Arbeitslosigkeit eher überschaubar. Tatsächlich ist es in der Praxis nicht ungewöhnlich, dass Wettbewerber versuchen, Pflegepersonal abzuwerben, sobald sie von einer möglichen Insolvenz erfahren oder das Gefühl haben, dass Mitarbeiter*innen empfänglich für Übernahmeangebote sind. Das Abwerben von Mitarbeiter*innen ist als Teil des freien Wettbewerbs auch grundsätzlich erlaubt. Nur, wenn der Wettbewerber unlautere Mittel einsetzt oder unlautere Zwecke verfolgt, könnten solche Maßnahmen unterbunden werden.

„Unlauter“ in diesem Sinne ist das Abwerben von Mitarbeiter*innen u.a. dann, wenn der Wettbewerber auf „verwerfliche“ Mittel und Methoden zurückgreift. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Wettbewerber gezielt und bewusst auf einen Vertragsbruch der Mitarbeiter*innen hinwirkt und sie ermutigt, eine außerordentliche Kündigung herbeizuführen. Solcher Tricks bedarf es in der Regel aber ohnehin nicht, da die oben schon angesprochene Maximalkündigungsfrist von drei Monaten auch zu Gunsten der Mitarbeiter*innen greift. Insofern können die Mitarbeiter*innen ihr Arbeitsverhältnis im Zweifel „zügig“ beenden, um zeitnah bei einem Wettbewerber einzusteigen.

Sofern der Betrieb des Pflegeheim indes fortgesetzt wird, ist das Risiko des Arbeitsplatzverlusts deutlich geringer. Das gilt vor allem dann, wenn der Betrieb von einem anderen (liquiden) Betreiber übernommen und fortgesetzt wird. Sollte sich z.B. der Immobilien-Eigentümer entschließen, die Heimverträge der Bewohner und die materiellen Betriebsmittel zu übernehmen und den Betrieb fortzuführen, so kommt es zu einem so genannten Betriebsübergang gem. § 613a BGB, durch den im Beispielsfall der Eigentümer kraft Gesetzes in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen der Mitarbeiter*innen eintritt.

Um sich bei einer Fortsetzung des Betriebs vor einer unerwünschten Abwanderung von Mitarbeiter*innen zu schützen bzw. bei einer Stilllegung der Einrichtung eine geordnete Abwicklung zu ermöglichen, kann der Insolvenzverwalter auch in angemessenem Rahmen Bleibe- bzw. Treueprämien oder Leistungsprämien für Mitarbeiter*innen ausloben – dabei muss er selbstverständlich aber stets die Verhältnismäßigkeit der finanziellen Verpflichtungen zur vorhandenen Masse berücksichtigen.

Erwerb eines Pflegebetreibers oder von einzelnen Einrichtungen aus der Insolvenz

Der Insolvenzverwalter kann versuchen den Betrieb als Ganzes im Rahmen einer übertragenden Sanierung oder den Betrieb einzelner Einrichtungen zu veräußern. Die wichtigsten Fragen für den Erwerber bei Prüfung solcher Einrichtungen sind die Übertragbarkeit der Versorgungsverträge, Gespräche mit der Heimaufsicht und mit den Vermietern über die zukünftigen Mietkonditionen, die Feststellung der Eigentumsverhältnisse an dem Inventar und jenseits aller rechtlichen Fragen die Bereitschaft des Pflegepersonals dem Erwerber für den Neustart zu vertrauen. Der Erwerber wird für die Strukturierung überlegen, ob er den Betrieb im Rahmen eines Asset-Deals übernimmt oder ob auch ein Share Deal in Betracht kommt, wenn wichtige Vertragsverhältnisse erhalten werden sollen.

 

Verfasst von Sabrina Greubel, Dr. Roland Bomhard, Dr. Susann Brackmann, Dr. Justus Frank, Maître en droit, LL.M., Damian Sternberg, und Dr. Christina Költgen.

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