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"Brexit means Brexit" – so urteilte das OLG München Anfang August dieses Jahres. Das Gericht hatte über die Parteifähigkeit einer Gesellschaft zu entscheiden, die zwar als UK Limited gegründet wurde aber tatsächlich in Deutschland verwaltet wird. Mit dem Brexit am 31. Dezember 2020 bestimmt sich die Parteifähigkeit einer solchen Gesellschaft nach deutschem Recht. Hieran ändert auch das Brexit-Übergangsabkommen vom 24. Dezember 2020 nichts. Das deutsche Recht kennt die Gesellschaftsform "Limited" nicht. Dies führt dazu, dass eine UK Limited fortan nicht mehr als Partei in einem deutschen Zivilprozess auftreten kann.
Das OLG München hatte in der Berufungsinstanz über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Die Antragstellerin, eine Gesellschaft die im Vereinigten Königreich als UK Limited gegründet wurde, hatte ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland (Berlin).
In seinem Urteil wies das Gericht den Antrag der UK Limited auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig zurück, da sie nicht parteifähig sei. Die Parteifähigkeit knüpft an die Rechtsfähigkeit an. Diese wiederum bestimmt sich nach dem auf die Gesellschaft anwendbaren Recht. Das hier anwendbare deutsche Gesellschaftsrecht kennt die Gesellschaftsform "Limited" nicht. Somit ist die UK Limited als solche nicht rechtsfähig und kann damit nicht Partei im deutschen Zivilprozess sein.
Bei der Ermittlung der Rechtsfähigkeit stellte sich für das OLG München zunächst die Frage, auf welches nationale Recht es hierbei ankommt: dasjenige des Vereinigten Königreichs als Ort der Gründung oder das Deutschlands als Verwaltungssitz?
Die Rechtsprechung in Deutschland geht gewohnheitsrechtlich davon aus, dass sich das auf die Gesellschaft anwendbare Recht nach der Sitztheorie bestimmt. Danach ist das Recht desjenigen Staates anzuwenden, das am Sitz der Gesellschaft gilt. Der Sitz ist der Ort, an dem die Geschäftsführung die Gesellschaft tatsächlich verwaltet. Bezogen auf den hier behandelten Fall wäre also deutsches Recht anwendbar gewesen, da die Antragstellerin ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Berlin hat.
Ausnahmsweise gilt die Sitztheorie dann nicht, wenn die Gesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat gegründet wurde. Die unionsrechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit gebietet, dass das Recht des Mitgliedstaates Anwendung findet, in dem die Gesellschaft gegründet wurde. Dies führt für die Frage nach dem anwendbaren Recht auf Gesellschaften aus dem EU-Ausland zur Gründungstheorie.
Mit Ablauf des 31. Dezember 2020 findet die Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zum Vereinigten Königreich jedoch keine Anwendung mehr. Dies hatte bereits der BGH in einem Beschluss vom 16. Februar 2021 (Az. II ZB 25/17) festgestellt. Der BGH hatte sich in dem Beschluss allerdings nicht zu der Wirkung des Übergangsabkommens vom 24. Dezember 2020 positioniert. Das OLG München stellte hierzu nun ausdrücklich fest, dass in dem Übergangsabkommen vom 24. Dezember 2020 keine Niederlassungsfreiheit oder eine dem vergleichbare Rechtsposition vereinbart wurde. Damit besteht kein Erfordernis mehr insoweit der Gründungstheorie zu folgen. Im Verhältnis zum Vereinigten Königreich verbleibt es damit bei der Sitztheorie, sodass im vom OLG München entschiedenen Fall deutsches Recht Anwendung fand.
Damit stellte sich die weitergehende Frage, wie das anwendbare deutsche Recht mit einer UK Limited umgeht.
In Deutschland gilt ein numerus clausus der Gesellschaftsformen. Die Gesellschaftsform UK Limited ist im deutschen Recht nicht vorgesehen. Damit ist die UK Limited als solche nicht rechtsfähig. In der Konsequenz hat das OLG München die UK Limited als nicht parteifähig erachtet und folglich die Zulässigkeit des Antrags verneint.
Die UK Limited ist dennoch kein rechtliches nullum. Sie wird je nach tatsächlicher Ausgestaltung als GbR, OHG oder einzelkaufmännisches Unternehmen behandelt. Deren Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit ihrem persönlichen Vermögen.
Die rechtskräftige Entscheidung des OLG München stellt ein Ausrufezeichen in dem Streit um die Bedeutung des Übergangsabkommens vom 24. Dezember 2020 dar. Das Urteil setzt sich mit Stimmen in der Literatur auseinander, die die Gründungstheorie weiterhin für anwendbar halten. Argumentiert wird insofern, dass ein diskriminierungsfreier Marktzugang vereinbart wurde, woraus sich auch die Niederlassungsfreiheit ableiten ließe. Das OLG München erteilt dem nun eine deutliche Absage.
Das OLG München stellt in seiner Entscheidung zudem hohe Anforderungen an den Nachweis des Sitzes der Gesellschaft. Abstrakte Aussagen in Unterlagen der Gesellschaft würden demnach keine Auskunft über den tatsächlichen Ort geben, an dem die Geschäftsführung die Gesellschaft verwaltet. Auch daraus, dass ein bestimmtes Steuer- oder Gewerberecht auf die Gesellschaft anwendbar sei, folge nicht ohne Weiteres, dass sich der Sitz auch tatsächlich an jenem Ort der Steuer- oder Gewerbepflichtigkeit befinde.
Relevant ist die Frage nach dem anwendbaren Recht auf Gesellschaften nicht nur für die Parteifähigkeit in Gerichtsverfahren. Besondere Bedeutung erlangt sie auch im Bereich der Haftungsbeschränkung. Eine solche gibt es in Deutschland grundsätzlich nur bei Kapitalgesellschaften, die in das Handelsregister eingetragen werden müssen. Eine UK Limited erfüllt diese Anforderungen nicht.
Das volle persönliche Haftungsrisiko der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft muss fortan dringend berücksichtigt werden. Für eine UK Limited mit Sitz in Deutschland ist daher spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, über eine Umwandlung nachzudenken. Denkbar wäre beispielsweise die Gesellschaftsform der "UG (haftungsbeschränkt)" mit minimalem Kapitalaufwand.
Gerne beraten wir Sie und Ihr Unternehmen individuell zu den Auswirkungen des Brexit. Weitere Informationen zu den Folgen des Brexit finden Sie hier.
Verfasst von Carolin Marx, Anna-Sophia Leitner und Franziska Reich